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Pechvogel: Roman (German Edition)

Pechvogel: Roman (German Edition)

Titel: Pechvogel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. G. Browne
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der Küste bricht, in mich hinein.
    Ich ächze fast, als ich meine Hand wegziehe, und hoffe, dass ich mich irgendwie rechtzeitig von ihm löse, um den Strom des Glücks aufzuhalten. Aber es ist zu spät. Das Kind ist in den Brunnen gefallen: Es gibt keine Möglichkeit, wie ich Doug sein Glück zurückgeben kann.
    »Bist du okay, Holmes?«, fragt er und sieht verletzt und verwirrt aus.
    »Jupp. Ich bin nur etwas seltsam, wenn es darum geht, andere Menschen zu berühren, weißt du?«
    »Du meinst Zwangsstörungen und so ’nen Scheiß?«
    »So was in der Art.«
    Ich sitze da, während Dougs Glück durch meinen Körper pulsiert, sich mit Donna Bakers weichem Glück höchster Güte vermischt, mich mit Adrenalin vollpumpt, meine Wahrnehmungsfähigkeit auf Stärke elf hochdreht.
    Ich rieche Bier und Schweiß.
    Ich sehe die Haare an Dougs Kinn und höre, wie sein Herz pocht.
    Ich schmecke die Knoblauch-Hummus-Falafel, die er zum Mittagessen hatte.
    Ich fühle mich stark und zerbrechlich. Beschwingt und niedergeschlagen. Hungrig und satt.
    Ich fühle mich wachsamer und besser geerdet als je zuvor.
    Und zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich schmutzig. Zum ersten Mal in meinem Leben wünsche ich mir, nicht mit dieser Fähigkeit des Wilderns geboren worden zu sein.
    Ich hätte ihn warnen sollen. Ich hätte ihm die Wahrheit sagen sollen, damit er nicht meine Hand nimmt. Ich hätte Handschuhe tragen sollen. Ich hätte etwas tun sollen, um zu verhindern, dass das passiert. Und stattdessen habe ich der einzigen Person, die ich als Freund betrachte, das Glück gestohlen.
    Auf der anderen Seite: Wem genau mache ich eigentlich etwas vor? Ich habe keine Freunde. Niemand hängt mit mir rum oder ruft an, weil er mit mir essen oder ins Kino gehen will. Ich habe nur Bekannte. Entfernte Bekannte. Ich habe nicht mal eine engere Beziehung zu meiner Schwester oder meinen Nichten.
    Aber egal, ob Doug nun ein Freund oder ein kurzzeitiger Bekannter ist: Er hat etwas Besseres verdient. Insbesondere, nachdem er mir das Leben gerettet hat.
    »Es tut mir leid, Bow Wow.«
    »Was tut dir leid, Holmes?«
    »Dass ich dich in die Sache reingezogen habe. Dass … dass …« Fast sage ich Dass ich dein Glück gestohlen habe, aber ich bin ein viel zu großer Feigling, um das einzugestehen. »Dass ich alles durcheinanderbringe.«
    »Kein Durcheinander, Holmes. Alles in Ordnung. Alles gut.«
    Ich wünschte, es wäre so.
    Fieberhaft überlege ich, wie ich die Sache richten, wie ich sie wieder in Ordnung bringen kann. Und dann fällt mir der alte Kinderreim ein: Humpty Dumpty war viel zu munter, Humpty Dumpty fiel von der Mauer runter, nicht zehn Pferde, nicht hundert Mann, kriegten den Armen wieder zusamm’n. Doug ist wie Humpty Dumpty, und ich bin die hundert Mann. Was es mit den Pferden auf sich hat, verstehe ich allerdings nicht. Mir ist völlig unklar, wie es ihnen mit ihren Hufen gelingen sollte, eine zerbrochene Eierschale wieder zusammenzusetzen.
    »Hör mal«, sage ich. »Du musst mir einen Gefallen tun.«
    »Alles, Holmes. Nur raus damit.«
    Ich weiß, dass er es so meint. Es ist keine Übertreibung. Ich könnte ihn bitten, mich zu schlagen. Könnte ihn bitten, mir sein Auto zu leihen. Ich könnte ihn bitten, I Will Survive von Gloria Gaynor mit einer Federboa um den Hals zu singen. Er würde es tun.
    Auch diese Erkenntnis sorgt nicht dafür, dass ich mich besser fühle.
    »Fahr nach Hause«, sage ich. »Du musst an einen sicheren Ort gehen – vorzugsweise irgendwohin, wo es keine elektrischen Kabel und keine scharfen Gegenstände gibt.«
    »Ich verstehe nicht, Holmes. Ich dachte, wir wären ein Team.«
    »Das sind wir.«
    »Dann lass mich dir helfen, Holmes. Lass mich dein Watson sein.«
    Was irgendwie niedlich ist, auf so eine männerfreundschaftliche Art und Weise.
    Doug macht es mir nicht leichter.
    Das Problem dabei ist nur, dass er nicht in der Stadt oder in meiner Nähe bleiben kann, wenn die Chance besteht, dass er verletzt wird. Und da ich nicht glaube, dass Doug verstehen würde, warum ich möchte, dass er meinen Urin trinkt, ist das die einzige Möglichkeit, ihn aus der Gefahrenzone zu bringen.
    »Tu es einfach für mich, okay?«
    »Okay, Holmes«, erwidert er deutlich enttäuscht. »Wenn es das ist, was du willst.«
    Ich komme mir wie ein undankbarer Bastard vor, weil ich Doug als Belohnung für die Rettung meines Lebens wegschicke, aber ich werde mich deutlich besser fühlen, sobald ich sicher bin, dass er von der Straße

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