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Pechvogel: Roman (German Edition)

Pechvogel: Roman (German Edition)

Titel: Pechvogel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. G. Browne
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Zwei-Unzen-Glasphiole aus dem Küchenschrank nimmt, den Deckel abschraubt und sie auf dem Tresen neben dem Wasserglas platziert. Aus einer der Küchenschubladen holt er eine Glasspritze, öffnet den Stahlbehälter, steckt die Spritze hinein und zieht Pech in die Kammer auf.
    »Ist das hochkarätiges Pech?«, will ich wissen.
    »Ja.«
    Ich mache einen Schritt zurück und schaue mich nach etwas um, hinter dem ich mich verstecken kann.
    »Was ist mit den Gläsern aus dem Kühlschrank?«, frage ich. »Kannst du mir nicht eins davon geben?«
    »Das ist nur normales Pech. Das hochkarätige bewahre ich in solchen Flaschen auf.«
    »Warum? Ist es dann stabiler? Besser gekühlt? Harmloser?«
    »Nein«, erwidert er. »Nur zufriedener.«
    Ich kann nur nicken. Es gibt ein paar Dinge, die ich lieber nicht verstehen möchte.
    Sobald die Spritze mit dem hochkarätigen Zeug gefüllt ist, steckt er sie in die Zwei-Unzen-Phiole und drückt auf den Kolben.
    »Hast du keine Angst, dass du kleckerst?«, frage ich und trete einen weiteren Schritt zurück. Ich wünschte, ich hätte etwas, um mich zu schützen. Kugelsicheres Glas oder den gesamten Atlantik.
    »Ich kleckere nie.«
    »Nie?«
    »Nein. Aber meist nervt mich auch kein neugieriger Wilderer bei der Arbeit.«
    »Entschuldigung. Tut mir leid.«
    Fortan halte ich also die Klappe und sehe zu, wie er die Spritze leert und die Zwei-Unzen-Phiole füllt. Dann wischt er die Nadel der Spritze mit seiner Fingerkuppe ab und steckt den Finger in den Mund.
    Während ich zusammenzucke und ein Würgen unterdrücke, zeigt der Albino keine Reaktion. Weder Freude noch Abscheu oder sonst irgendein Anzeichen eines Sinnesreizes. Dann stellt er die Spritze in das Wasserglas, zieht Wasser auf und spritzt es wieder ins Glas. Und danach trinkt er das Glas in vier langen Schlucken aus.
    »Wie schmeckt es?«, frage ich.
    Er wischt sich die Lippen mit einem Finger ab. »Es schmeckt wie ich.«
    Ich bin mir nicht sicher, ob er geheimnisvoll oder widerlich sein will, also lasse ich das einfach mal so im Raum stehen.
    Der Albino stellt derweil die Spritze in das leere Wasserglas, schraubt die Phiole zu und hält sie mir auf der offenen Hand hin.
    »Was denn?«
    »Deshalb bist du doch hergekommen«, sagt er. »Das stand auf der Karte.«
    »Ich weiß. Aber hast du nicht etwas dafür, das ein bisschen weniger zerbrechlich ist? Etwas aus rostfreiem Stahl oder Plastik oder Titan?«
    »Es frisst sich durch Plastik. Man muss es in Metall oder Glas aufbewahren.«
    »Okay, ich nehme das Metall.«
    »Ich hab kein Metall«, gibt er zurück und hält mir weiterhin die Zwei-Unzen-Phiole hin. »Ich habe nur Glas.«
    »Aber du meintest doch, dass es in rostfreiem Stahl zufriedener ist. Ich will nicht, dass es wütend ist. Ich will, dass es zufrieden ist.«
    »Ist zufrieden genug«, meint der Albino. »Also nimm es.«
    »Aber das Pech, das ich vorhin von Barry Manilow bekommen habe, war in einer Phiole aus rostfreiem Stahl. In einem Metallbehälter. Der in Schaumstoff eingebettet war.«
    »Ich hab keinen Schaumstoff und kein Metall, und ich bin nicht Barry Manilow«, entgegnet er, und auf seinem Gesicht breitet sich plötzlich und unerwartet ein strahlendes Lächeln aus. »Aber ich bin ein großer Fan. Meinst du, du könntest mir ein Autogramm besorgen?«
    »Ist nur so ein Witz. Er ist nicht wirklich Barry Manilow. Er sieht bloß so aus.«
    »Oh.« Der hoffnungsvolle Ausdruck verschwindet aus dem Albino-Gesicht.
    »Tut mir leid. Hör mal, hast du nicht vielleicht einen kleinen Karton und ein bisschen Packmaterial aus Styropor oder so? Vielleicht ein …«
    »Ich habe ihn mal live gesehen. In New York City. Im Madison Square Garden. Den Song Copacabana liebe ich besonders. ›Her name was Lola, she was a showgirl …‹«
    Er fängt an, den Kopf rhythmisch im Takt des Liedes zu bewegen, während die Phiole noch immer in seiner offenen Hand liegt und dabei zwischen seinem Daumen und seinem kleinen Finger hin- und herrollt. Der Albino mag sich keine Sorgen ums Kleckern oder Zerbrechen machen, aber ich will ganz sicher nicht mit thermonuklearem Pech in Berührung kommen.
    »Wie sieht es mit einer Popcornschachtel aus?«, frage ich. »Hast du Popcorn da? Oder hast du einen Ziploc-Beutel mit Reis darin? Irgendwas? Egal, was?«
    »Tut mir leid. Ich habe nur dieses Paket Kaffee von Starbucks im Tiefkühlfach.«
    »Gemahlen oder ganze Bohnen?«
    »Gemahlen.«
    »Perfekt«, sage ich. »Den nehme ich.«
    Während der Albino das Pfund

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