Pechvogel: Roman (German Edition)
diese Kerle immer meine Mentos ab?
Wenigstens habe ich noch mein Wilderer-Telefon in meiner Büroschublade. Es ständig dabeizuhaben ist keine gute Idee – insbesondere, wenn man wie ich von der Mafia, den Bullen und rachsüchtigen Schwestern aus Tucson unter Drogen gesetzt, durchsucht und niedergeschlagen wird.
»Was ist in dem Rucksack?«, will Schläger eins wissen.
»Ein Beutel Kaffee und ein leerer Kaffeebecher. Ich glaube, meine Selbstachtung ist auch irgendwo da drin, aber ich kann sie nicht finden.«
»Ich muss das Ding überprüfen.«
»Nur zu.« Ich reiche ihm den Rucksack. »Wenn du meine Selbstachtung findest, winkt eine Belohnung von hundert Dollar. Natürlich nur, wenn ich sie unbeschadet zurückbekomme.«
Ich gebe mich möglichst gleichgültig, als er meinen Rucksack öffnet, den leeren Kaffeebecher rauszieht, ihn aufmacht und zur Seite stellt und dann die Packung Kaffee herausholt. So zu tun, als sei mir das gänzlich egal, ist nicht leicht, aber ich setze mein bestes Gelangweilter-Ehemann-hört-seiner-Frau-zu-während-sie-mit-ihren-Freundinnen-plaudert-Gesicht auf. Er macht den Kaffeebeutel auf und schaut mich argwöhnisch an.
»Was ist?«, frage ich und versuche, nicht schuldbewusst auszusehen.
Er schüttelt mit enttäuschter Miene den Kopf, und ich schätze, dass er weiß, dass ich Pech im Kaffee schmuggle. Ich weiß nur nicht, woher er es weiß. Vielleicht hat er übernatürliche Fähigkeiten. Vielleicht bin ich auch einfach so durchschaubar. Oder vielleicht ist er ein Drogenspürhund, der Pech riechen kann. Und das, ganz ohne den Teppich vollzuhaaren.
Er verschließt die Packung wieder. »Hausmischung? Kein Wunder, dass du keine Selbstachtung hast.«
Ich muss fast schon laut loslachen. Stattdessen zucke ich die Schultern, als er die anderen Taschen und Fächer absucht. Schließlich steckt er den Kaffee und den leeren Becher wieder hinein und reicht mir wortlos den Rucksack.
Vielleicht, so denke ich, ist ja gerade ein bisschen Glück zu mir zurückgekehrt. Keine schlechten Nachrichten mehr. Keine unangenehmen Überraschungen. Keine unerwarteten Wendungen.
Dann halten wir, ich steige aus und gehe ins Sir-Francis-Drake-Hotel.
Kapitel 34
A m 26. September 1803 wurde der Engländer Joseph Samuel im australischen Sydney des Mordes an einem Polizisten verdächtigt, schuldig gesprochen und zum Tode durch den Strang verurteilt. Samuel bestand weiterhin auf seiner Unschuld, allerdings ohne Erfolg. Die Schlinge wurde um seinen Hals gelegt und festgezogen, der Wagen, auf dem er stand, fuhr an.
Beim ersten Mal riss das Seil, und Samuel fiel auf den Boden. Beim zweiten Mal rutschte die Schlinge von seinem Hals, und er landete wieder sicher auf seinen Füßen. Beim dritten Versuch riss das Seil erneut.
Der Gouverneur wurde an den Ort des Geschehens gerufen, und nachdem er das Seil in Augenschein genommen und keine Spuren einer Manipulation entdeckt hatte, verkündete er, dass dies ein Zeichen Gottes sei und Samuels Verbrechen daher nicht bestraft werden dürfe. Daraufhin wurde Samuel begnadigt.
Momentan hoffe ich, dass ich so viel Glück wie Joseph Samuel habe.
Ich bin in einer Hotelsuite in der zwanzigsten Etage des Sir Francis Drake und schaue aus dem Fenster auf den Union Square hinab. Die Lichter von San Francisco strahlen unter einem dunklen Augusthimmel.
Ich warte schon eine halbe Stunde, denn so viel Zeit ist vergangen, seit Tommys Schläger mich abgeladen und mir gesagt haben, dass ihr Chef bald hier sein würde. Was immer das heißen mag. Anscheinend heißt bald in der Mafia-Sprache in etwa so was wie wenn er die Zeit dazu findet.
Ein anderer von Tommys Schlägern bewacht draußen im Gang die Tür, und meinen ersten Erkundungen zufolge gibt es keinen anderen Weg hier heraus – es sei denn, ich schlage das Fenster mit einem Stuhl ein und spiele Superman, natürlich. Ich habe das Telefon ausprobiert, aber da landete ich direkt bei der Mafia-Vermittlung und bekam daher keine Leitung nach draußen. Und auch der Versuch, mit jemandem zu sprechen, der mir etwas aufs Zimmer bringt, ist gescheitert.
Mein letztes Essen war ein Apfelkrapfen, und das ist mehr als fünf Stunden her.
Zumindest ist die Unterbringung eine deutliche Verbesserung dazu, in einem fensterlosen Raum in einer abbruchreifen Bude aufzuwachen. Oder in einer Gasse neben einem Obdachlosen zu sich zu kommen, der nach Urin stinkt. Und ich bin bei Bewusstsein, was auch von Vorteil ist.
Ich weiß nicht, wie lange Tommy
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