Pechvogel
ihre kurzen und dicken Arme. Richard stand kurz vor der Bewusstlosigkeit.
»Riechen Sie da etwa was?«
»Nein, da riecht gar nichts, Frau Fleischmann.«
»Das will ich auch hoffen, junger Mann.«
Sie beruhigte sich nur langsam wieder.
»Ihnen macht es doch nichts aus, wenn ich Ihr Geschenk an meine Tochter weitergebe. Da ich nicht stinke, brauche ich auch kein Parfüm«, sagte sie enttäuscht über das Geschenk.
»Danke, Mami«, sagte Gabi.
Richard konnte nicht sagen, dass Gabi stank. Sie roch zwar schon immer etwas streng, aber dass sie nach den Worten ihrer Mutter das Geschenk so ohne Widerworte annahm, verwunderte ihn kurz. Eine Sekunde später wunderte ihn nichts mehr, da er sich vor Augen führte, wo er gerade war.
Bei dem Geschenk für Vater Fleischmann konnte Richard nichts falsch machen. Es handelte sich dabei um eine im Dezember neu herausgekommene 5er-DVD-Box mit den erfolgreichsten Actionfilmen der letzten Jahre. Da die Filme noch recht neu und die Box edel in Aluminium gestaltet war, hatte Richard auch für Vater Fleischmann fast einhundert Euro im Kaufhaus gelassen. Richard wollte der Familie Fleischmann zeigen, wie viel Zeit er sich genommen und auch investiert hatte, um für jeden das passende Geschenk zu finden. Auch wenn er die Fleischmanns zuvor nicht gekannt hatte. Es sollte am Ende doch mehr sein als eine Entschuldigung von einem Geschenk.
Richard reichte ihm das Geschenk. Vater Fleischmann sah ihn dabei nur grimmig an, verlor kein Wort.
Er riss das Geschenkpapier giftig und schnell herunter.
Richard strahlte, als er die Aluminiumbox sah. Er hätte sie am liebsten selbst behalten.
Vater Fleischmann sah die edle Box an, als ob man ihm einen Korb mit vergifteten Pilzen in die Hand gedrückt hätte.
»Was ist das?«, fragte er und hustete, zog dann sofort wieder an seiner gerade angezündeten Zigarette.
»Machen sie die Box auf«, sagte Richard.
Er tat es. »Und, was soll das sein?«
»Kennen Sie die Titel etwa nicht?«, fragte Richard enttäuscht. Die Filme waren so bekannt, riesige Kinoerfolge, durch alle Medien gegangen. Die kannte jeder.
»Titel? Was für Titel?«
»Ich versteh nicht«, sagte Richard.
»Was ist das in dieser kalten Metallschachtel? Sind das etwas CDs?«, fragte er verärgert.
Richard pustete innerlich durch. Gut, dass er keine CDs genommen hatte. Er hatte kurz mal dran gedacht, sich dann aber doch für dieses weitaus hochwertigere Geschenk entschieden.
»Nein«, sagte Richard glücklich.
»Wir hören nur Radio.«
»Kein Problem. Es sind keine CDs.«
»Ja, was soll das dann sein?«, fragte er streng.
»Wie meinen Sie das jetzt?«, fragte Richard.
»Sind Sie schwer von Begriff, junger Mann. Wenn es keine CDs sind, was ist das dann?«
»DVDs, Papa«, sagte Gabi.
»Solche Dinger«, sagte er, »wo du diesen französischen da hast?«
»Ja«, strahlte Gabi über ihre DVD, über ihre einzige DVD, die im Wohnzimmerschrank vor ihnen stand.
Drei Jahre in Island wird erst im Februar auf DVD erscheinen.
»Und was soll ich damit?«
»Ansehen«, sagte Richard zögerlich.
»In unserem Heim sehen wir nicht dieses ganze Technikzeug.«
»Es handelt sich um die besten Actionfilme der letzten Jahre, Herr Fleischmann. Die waren ganz große Erfolge im Kino«, sagte Richard.
»Und, was interessieret mich das, junger Mann? Wir haben kein Gerät, wo wir dieses neuartige Zeug reinstecken müssen.«
»Ja, aber, Gabi hat doch diese DVD«, sagte Richard. Er wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand.
»Die habe ich immer mit meinem Ex geguckt«, sagte Gabi, »in dessen Wohnung. Hab ich dir das nicht gesagt?«
»Nein, hast du nicht«, sagte Richard.
Kurze Stille. Jeder der Fleischmanns zog zweimal, dreimal an seiner Zigarette, dann brach die Stille wieder.
»Wo haben Sie dieses Zeug gekauft?«
Richard wollte nun eigentlich sagen, dass es sich dabei nicht um Zeug handelte, sondern um Kunst, auch wenn es Action war. Es waren Filme. Filme waren Kunst, kein Zeug.
Er sagte aber: »Im Kaufhaus.«
»Wenigstens etwas Gutes. Haben Sie den Kassenzettel noch?«
Welch intime Frage, dachte Richard. An Weihnachten nach dem Kassenzettel von dem Geschenk zu fragen, das man gerade erhalten hatte, war genauso schlimm, wie wenn man an Ostern die Eier zu Wasserbomben umfunktionierte.
»Müsste ich zuhause nachsehen. Ich denke schon.«
»Dann geben sie ihn meiner Tochter mit.«
»Wie bitte?«, fragte Richard mit gereizter Stimme. Er hatte es zumindest vor, aber seine Stimmbänder waren
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