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Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Titel: Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz , Claudio Honsal
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in jeder Sprache und für jeden Intellekt leicht verständlich wird darauf hingewiesen, dass weder kurze Röcke noch Zigaretten, Handys, Kopfhörer und natürlich auch keine Hunde in der
zona sacra
erlaubt seien. Die eben noch andächtige Miene meines Herrchens mutiert in Sekundenschnelle zur enttäuschten, zornigen Fratze. Das kann nicht sein! Pecorino auf dem Franziskusweg und kein Foto im Heiligtum von La Verna! Der Zulauf an Pilgern und Touristen wird stärker. Ich werde neben dem Tor fixiert, sprich: mit der Hundeleine angebunden. Herrchen versucht einen Verantwortlichen für diese missliche Lage zu finden. Drinnen hört man die Gesänge der Mönche. Über allem beginnen gerade die Glocken der Basilika zu dröhnen, die am Hauptplatz emporragt. Da kommt mir die Erinnerung an ein Shooting auf Capri. Ebenfalls in einer Kirche. Ich auf dem weltberühmten Mosaik des „irdischen Paradieses“ – gar kein Problem. Eine kleine milde Gabe für das gelungene Motiv hat den Diener des Herrn noch sanfter gestimmt. Immerhin waren es mehrere Tausender, damals allerdings noch Lire. Selbst mit pekuniärer Bestechung führt hier und heute bei den Mönchen von La Verna kein Weg ins Innere der geheiligten Stätte. Zeit für ein Nickerchen im Schatten.
    Eine Gruppe amerikanischer Buspilger hat mich entdeckt. Es entsteht ein regelrechter Stau bei der engen Holzpforte. Jeder will mich streicheln. „How cute!“ Ich darf nicht hinein. Da kommt Toni zurück, seine Gesichtszüge sind nicht wesentlich freundlicher. Die Mönche seien gerade in Vorbereitung ihres Stundengebets samt anschließender Prozession durch das Klosterareal. Ein Highlight für jeden Pilger. Ohne uns, denn an dem heiligen Ort sind Hunde unerwünscht. Im Anschluss an die Messe wird ein Padre zu uns kommen. Der Abt hat ein kurzes Fotoshooting mit einem Mönch genehmigt, allerdings außerhalb der Klostermauern.

Exklusiv: Ein außergewöhnlicher Hund darf auch an außergewöhnlichen Locations fotografieren. Hier am Kirchen-Mosaikboden von San Michele in Anacapri.

Wachablöse. Toni übernimmt die Aufsicht über mich, der Autor begibt sich ins Kloster. Er will sich jene Plätze, an denen San Francesco gelebt, gelitten und gebetet hat, nicht entgehen lassen. Wie viele überlieferte Ereignisse, Mythen und Legenden haben sich nicht zwischen diesen Felsen und hinter diesen Mauern ereignet. Die Höhle, in die sich Franz wochenlang auf nacktem Stein zum Beten und Fasten zurückgezogen hat. Der Sasso Spicco, an dem er sich in Liebe und Ehrfurcht zu Gott gegeißelt hat, und schließlich die Capella delle Stimmate. Hier soll dem Heiligen am 17. September 1224 ein Seraph, ein Engel mit sechs Flügeln, erschienen sein. Hier soll sich die Stigmatisierung ereignet haben. Es ist die heiligste Stätte der Franziskaner, an der Bruder Leo ihn blutüberströmt und gezeichnet mit den Wundmalen Christi gefunden hat. War es übersinnliches Geschehen oder Selbstzerstückelung im Trancezustand der wochenlangen Enthaltsamkeit? Der Ort strahlt jedenfalls spürbar den Geist des Heiligen aus. Sogar noch hier vor dem Hauptportal. Da stellt sich selbst mir die Sinnfrage. Kann ein Hund auch in den Himmel kommen? Gibt es vielleicht einen eigenen Hundehimmel? Werde ich mein Herrchen und den Autor dereinst wiedersehen?
    Da holt mich in einer Sekunde die Realität wieder ein, das Hier und Jetzt. Es bahnt sich ein ganz reales Wiedersehen an, und zwar mit Moreno, unserem Pilgerschatten. Eben biegt er um die letzte Kurve des steinigen Weges. Völlig außer Atem ringt er nach Luft und einer Erklärung. Nein, es kann nicht sein, dass wir ihn einge- und überholt haben. Bevor den ehrgeizigen Mitpilger die totale Sinnkrise befällt, beruhigt ihn Toni und erzählt von der wunden Pfote und der Busfahrt. Erst jetzt beginnt mich Moreno liebevoll zu streicheln.
    „Signor Toni?“, wird Herrchen von einem sehr jungen in Kutte gewandeten Franziskanermönch angesprochen. Es ist Padre Lorenzo, das vom Abt versprochene Fotomodell. Nochmals bedauert er, dass dem Hund – also mir – kein Einlass gewährt wird. Die Vorschriften. Beim gemeinsamen Foto fällt mir auf, dass der Ordensbruder wohl noch nicht sehr oft Kontakt zu Hunden gehabt hat. Er wirkt leicht nervös, und seine feingliedrigen Hände schwitzen etwas, als sie mir durchs Fell streichen. Vielleicht hat er ja auch im Innersten erkannt, dass das Hundeverbot nicht ganz den Vorstellungen seines Ordensgründers entsprechen kann.
    Egal, das Foto mit Fra Lorenzo

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