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Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Titel: Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz , Claudio Honsal
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einziges Mal, da habe ich – wieder einmal aus für mich unerklärlichen Gründen – das liebe Herrchen beinahe in den Wahnsinn getrieben. Es war in Frankreich. In Toulouse. Das Hotel war großartig, das Restaurant auch. Wir hatten bereits ausgecheckt. Ich bin nach dem Frühstück noch einmal ums Hotel Gassi gelaufen, schließlich hatten wir den langen Weg im Auto zur portugiesischen Algarve noch vor uns. Da war sie nun hinter dem Hotel, die überdimensionale Lache aus einer wohlriechenden Flüssigkeit. Zu seicht zum Schwimmen, aber ideal, um sich darin zu wälzen. Ich konnte nicht anders. Was ich nicht wusste: Das noble Restaurant hatte mitten in der Botanik ein illegales Reservoir von altem Bratöl und Fett angelegt. Den Geruch vom abgestandenen Öl habe ich trotz offenem Autofenster und einem Zwischenstopp samt Schwimmrunde in einem kleinen Flüsschen bis an die Algarve exportiert. Mich hat’s nicht gestört.
    Dort an der Algarve habe ich schließlich auch meine schrecklichsten Erfahrungen mit der Naturgewalt Meer machen müssen. Beim Entstehen der Bildstory
Pecorino an der Algarve
durfte natürlich der südwestlichste Punkt Europas in Sagres nicht fehlen. Es war Frühjahr, das Meer hatte gerade mal 16 Grad, der kalte Wind fegte über die zerklüftete Felsenküste. Ich musste modeln auf einem schroffen Felsen mitten im Wasser. Herrchen und das ideale Motiv verlangten es. Ich hasse Salzwasser, egal ob Ost-, Nord- oder Südsee. Es schmeckt nicht, es trocknet aus, es brennt in den Augen – auch damals am Atlantik. Plötzlich rollt eine riesige Welle aus Schaum und Gischt von hinten zuerst auf mich und schließlich auch auf Herrchen zu. Das Foto war zwar genial, aber Toni wurde ebenso wie ich vom Felsen ins Meer gespült. Beim erfolgreichen Versuch, mich zu retten, hat sich der Freizeit-Baywatch-Star auch noch grauenhafte Schürfwunden an Armen und Beinen zugezogen. In einem schönen, klaren Süßwassersee hätte uns so ein heimtückischer Tsunami wohl nicht überrascht.

Lebensgefahr herrschte für mich und Herrchen in den Fluten an der Algarve-Küste.

Noch ein paar Bilder im und am Ufer des Tibers, und es wird wieder gewandert. Schotterstraßen mit Millionen von kleinen, spitzen Steinen machen die frühe Nachmittagshitze auch nicht gerade erträglicher. Es brennt jetzt von oben und von unten. Ab und zu ein Traktor, ein Bauer, der seine Gerätschaft auf einem Pick-up zum Feld fährt. Der Horizont flimmert. Schnurgerade ist die Schotterpiste am Rande des Tibers, Schatten spendende Flora auf ein Minimum reduziert. Warum man hier den
cammino
nicht über den nahen, sanften und vor allem bewaldeten Höhenzug auf der anderen Seite des Tibers weitergeführt hat, ist mir unerklärlich. Es gibt nichts zu sehen, nichts zu erleben, nur diese eintönige, staubige Schotterpiste. Wir sind enttäuscht, leicht genervt, die verbleibende Wegstrecke scheint endlos.
    Auch das noch: Etwas Brummendes, Großes, Beängstigendes nähert sich uns frontal, gehüllt in eine fette Staubwolke. Ein riesiges Betonmischfahrzeug. Gleich dahinter ein Truck von monströsen Dimensionen, beladen mit Sand und Schotter. Links und rechts der immer breiter werdenden Straße hat man im Val Tiberiana zahlreiche Schotterwerke angelegt. Wir durchpilgern die Zivilisation. Noch drei Kilometer bis zur Stadtgrenze von Sansepolcro, jenem 16 000-Seelen-Ort am Tiber, der bereits im 15. Jahrhundert genauso viele Einwohner hatte. Daran konnte auch die Ansiedlung einer weltbekannten Nudelfabrik nichts ändern.
    Der Schotter der Güterwege unter meinen Pfoten weicht nun dem glühenden Asphalt einer Hauptstraße. Man wähnt sich mitten im August. Das Vorankommen in der Flussebene ist wesentlich beschwerlicher als noch am Vortag auf den schattigen Waldhügeln der Alpe di Catenaia. Die Pfoten schmerzen vom stundenlangen, spitzen Kiesuntergrund. Alle drei sehen wir nicht glücklich aus. Eben passieren wir einen Industrievorort, dessen herausragendes Merkmal Stahlbeton ist und mehrere monströse Supermärkte. Erstmals auf unserer Pilgerreise hat uns die reale Welt wieder brutal eingeholt.
    Ein kurzer Blick auf die Karte soll eine angenehmere Ausweichroute finden lassen. Wir biegen ab von der Hauptstraße direkt hinein in den schmalen Auwald, der das Tiberufer säumt. Alte verfallene Mauern werden erklommen, und schon stehen wir mitten drin im sumpfigen Schilfdickicht. So ist es, wenn sich ein Fotograf als Scout betätigt. Meine feine Nase und der Verlauf des Tibers zeigen

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