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Peehs Liebe

Peehs Liebe

Titel: Peehs Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Scheuer
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gelogen war. Ich fuhr mit Höger die California State Route hinunter, über die Golden Gate Bridge, von der Nord- bis zur Westküste, später an der mexikanischen Küste entlang, und die ganze Zeit sah ich von der Straße aufs Meer hinaus, auf ein glitzerndes blaues Meer. Im Radio lief Musik
All you need is love, Catch the wind
und
Colors
von Donovan. Während die Musik spielte und er mitträllerte, klopfte Höger mit der flachen Hand auf dem Lenkrad den Rhythmus. Am Ende unserer Fahrt stieg ich wieder in Kall am Bahnübergang oder bei der Wäscherei Moog aus, lief anDelamots Friseurladen, der Metzgerei, der Eisdiele vorbei und die Bahnhofstraße hinunter.
    Wenn ich abends zu Evros kam, saß er mit Sanny in der Küche und erzählte begeistert von seiner Heimat. Ich glaube, Evros wollte, dass Sanny ihren Mann, der immer auf Montage war, endlich verließ und mit ihm nach Griechenland ging. Sanny berichtete stolz, Leo habe sein Studium abgeschlossen und arbeite nun als Ingenieur bei einem großen Konzern. Einmal zeigte Sanny mir eine Ansichtskarte, die Leo von einer Dienstreise geschickt hatte und auf der stand, dass sie mich grüßen sollte.
    Im März 1972, kurz nach meinem vierunddreißigsten Geburtstag, zog Sanny mit ihrem Mann aus Kall weg. Danach sprach Evros immer häufiger davon, die Gaststätte zu verpachten. Das Wetter hier mache ihn melancholisch, sagte er, aber in Wirklichkeit war er von Sanny enttäuscht. Er wollte nun allein in seine Heimat zurück, schwärmte von der Insel, auf der er aufgewachsen war. Er hatte vor, am Meer ein kleines Hotel zu eröffnen, fragte, ob ich mitkommen wolle. Es dauerte fast ein Jahr, bis Evros einen Pächter fand und nach Griechenland zurückgehen konnte. Ich ging nicht mit ihm.
    Als der neue Pächter renovierte, musste ich ausziehen und mir eine andere Wohnung suchen. Ich wohnte einige Jahre über dem Reisebüro in einer Wohnung mit einem kleinen Balkon, von dem aus ich den Bahnhof und die Bushaltestelle sehen konnte, wo die Schüler auf ihre Busse warteten, die sie zu den umliegenden Dörfernbrachten. Die Miete wurde zu teuer, deshalb zog ich wieder in die Wohnung über der «Wäscherei & Reinigung» Moog, dorthin, wo ich früher schon mit Kathy gewohnt hatte. Es hatte sich nichts verändert, sogar die Groschen und Pfennigstücke, die Kathy einmal über dem Kopfende des Bettes an die Wand geklebt hatte, waren noch da. Das Kino diente nun als Lager für Konkursware und Dinge, die beim Transport beschädigt worden waren. Wenn Ware angeliefert wurde, half ich beim Abladen und bekam dafür zerbeulte Suppenbüchsen, deren Inhalt aber gut schmeckte. Wir bugsierten die Paletten mit dem Hubwagen durch den Eingang und stellten sie im ehemaligen Kinosaal ab. Beim Supermarkt schob ich leere Einkaufswagen zusammen und sammelte mit einem Greifstab Papier vom Parkplatz auf, sodass ich mich nicht bücken musste. In der Cafeteria bekam ich gratis Kaffee. Abends schenkten mir die Bäckereiverkäuferinnen übrig gebliebene belegte Brötchen und Kuchen. Ich half im Kalksteinbruch, wenn Löcher für die Sprengungen gebohrt wurden, besorgte Getränke für die Arbeiter. Später fuhr ich sogar den Caterpillar, ließ aus seiner Schaufel eine schwere Eisenkugel auf mächtige Felsbrocken plumpsen, die dann in viele kleine Stücke zerbrachen, sodass ein Bagger sie auf Lastwagen schaufeln konnte. Diese Bagger fraßen sich immer tiefer in die Erde hinein. Der Steinbruch war mittlerweile so groß, dass man ein ganzes Dorf darin hätte verschwinden lassen können. Wenn ich meine Arbeit im Steinbruch erledigt hatte, fuhr ich mit Höger imLastwagen. Manchmal stieg ich unten beim Broog aus, um Kathy zu besuchen, dann ließ ich mich mit dem nächsten Lastwagen, der vorbeifuhr, weiter nach Kall kutschieren. Ich saß in der Cafeteria des Supermarktes an dem kleinen Fenstertisch neben der Bäckereitheke, nippte an meinem Kaffee und roch die frisch gebackenen Brötchen. Die Leute kamen mit ihren Autos aus den Dörfern, wo es mittlerweile keine Geschäfte mehr gab. Sie liefen durch die Drehtür, an der Cafeteria und am türkischen Imbiss vorbei, in den Supermarkt. Wenn ich dort saß und die Leute beobachtete, fiel mir längst Vergessenes wieder ein, so als hätte jemand im Vorbeigehen Erinnerungen von irgendwoher mitgebracht. Ich betrachtete die Leute und lauschte

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