Peetz, Monika
verbrochen, dass du so sauer auf ihn bist?«
»Er wollte
mich seinen Eltern vorstellen. Beim Sonntagsgolf«, erklärte Kiki in
dramatischem Ton.
Caroline
lachte laut los: »Das nenne ich einen echten Trennungsgrund.«
»Da gibt
es nichts, was man offiziell machen muss. Schon gar nicht bei seinem Vater. Es
war eine Affäre, ein dummer Fehler.«
»Max
scheint das anders zu sehen«, verkündete Eva, die sich umgedreht hatte. Kiki
und Caroline folgten ihrem Blick. Max hatte inzwischen aufgeholt und wanderte
einträchtig an der Seite von Judith, die ihm gerade das Foto von Arne zeigte.
Sie erzählte, gestikulierte und lachte. Judith sah so gelöst aus wie schon
lange nicht mehr.
»Was tut
Max da?«, fragte Kiki irritiert.
»Er tut
das, was wir seit Monaten vergeblich versucht haben: Er heitert Judith auf«,
erkannte Caroline.
Tatsächlich
war von hinten fröhliches Gelächter zu hören.
»Das kann
er nicht bringen«, wandte Kiki ein.
»Judith
scheint froh, dass sie jemandem von Arne erzählen kann, der keine Fragen über
das Tagebuch stellt«, hielt Eva dagegen.
Das hätte
sie besser nicht gesagt. Denn sofort geriet sie aus dem Takt und außer Atem.
Caroline musterte sie kritisch.
»Es geht
gleich wieder«, hechelte Eva. Pilger-Multitasking überforderte sie. Es ging nur
eins. Laufen oder reden.
»Max sieht
nett aus«, meinte Caroline.
»Er ist
dreiundzwanzig«, fiel Kiki ihr ins Wort. »Als Max geboren wurde, war ich
dreizehn und bekam meinen ersten Zungenkuss. Von Robert. Der ekligste Kuss
meines Lebens. Ich habe ein ganzes Wochenende gebraucht, um mich von dieser
Begegnung der nassen Art zu erholen. Ich verarbeitete mein erstes
Beziehungstrauma, da brüllte Max nach dem Schnuller.«
Eva lachte
nur.
»Wem macht
der Altersunterschied heutzutage was aus, Kiki?«, warf Caroline kopfschüttelnd
ein.
Kikis
Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Mir! Mir macht das was aus. Ich
bin da ganz konservativ.«
Selbst
ohne Reden konnte Eva nicht mehr mit dem Tempo der Freundinnen mithalten. Nach
Fontfroide kämpften die Freundinnen sich über den langen Anstieg auf den Mont
Grand hinauf. Die hundertfünfundvierzig Höhenmeter forderten Eva alles ab. Sie
wurde langsamer. Ihr blieb gerade noch die Kraft, es so aussehen zu lassen, als
wäre das gewollt.
»Ich schau
mal, was die anderen treiben«, log sie.
32
Eva fiel
zurück. Caroline und Kiki zogen in unvermindertem Tempo weiter, ohne ihr
Gespräch zu unterbrechen. Für einen Moment landete Eva auf derselben Höhe wie
Judith und Max. Sprachfetzen drangen an ihr Ohr.
»Arne und
ich haben uns in einer esoterischen Buchhandlung kennengelernt«, berichtete
Judith. »Er hat mich die ganze Zeit beobachtet. Und dann kam er mit einem Buch
in der Hand auf mich zu. Das passt zu Ihnen, hat er gesagt. Und er hatte
recht.«
Eva fühlte
sich schuldig, als sie hörte, wie fröhlich Judiths Stimme klang. Mit einem
Schlag wurde ihr bewusst, dass Max etwas tat, was sie nicht mehr schafften:
aufmerksam zuzuhören, wenn Judith über Arne redete. Unterschwellig erwarteten
sie, dass Judith so viele Monate nach dem Tod von Arne auch mal ein anderes
Thema fand. Max war erfrischend anders. Er hatte keine Meinung. Weder zu Arne
noch zur angemessenen Dauer der Trauerzeit noch über das Tagebuch.
»Sie waren
sofort sicher, dass er der Richtige ist?«, fragte er.
Judith war
über den alten Geschichten so emotional geworden, dass sie Max spontan ins
Herz geschlossen hatte. »Sollen wir das Siezen lassen? Ich bin Judith.«
»Max«,
sagte Max.
Sein Blick
flog in Richtung Eva, die sich auf derselben Höhe abkämpfte. Sprechen war ihr
unmöglich. Sie konnte nur noch den Arm heben. Max, der bereits seit einer
Stunde in die Geheimnisse der Dienstagsfrauen eingeweiht wurde, wusste auch so
Bescheid.
»Und Sie
sind Eva, nicht wahr?«
Eva
nickte. Sie malte sich aus, was Kiki und die anderen zu ihrer Einführung
erzählt hatten. Was konnte man schon berichten? Sie wusste es selbst nicht:
Bei vier Kindern in fünfeinhalb Jahren war sie sich zwischen Wochenbett, Wiege
und Waschmaschine selbst abhandengekommen. Sie fiel weiter zurück. Auch das
Tempo von Judith und Max konnte sie nicht halten.
»Ich muss
mal ...« Was musste sie eigentlich? Dummerweise fiel ihr nur das kindische
»für kleine Königstiger« ein. Noch eine von Davids animalischen Redewendungen,
die sie auf ihren Ursprung zurückführen sollten. Übrigens die einzige Aufgabe,
an der sie gescheitert waren. Königstiger
Weitere Kostenlose Bücher