Peinlich peinlich Prinzessin
Mrs Gupta. Ihre Augen sahen hinter ihrer Brille zum ersten Mal freundlich aus. »Ich weiß, dass du großen Kummer hattest. Aber du kannst wegen eines Jungen nicht alles andere vernachlässigen.«
Ich sah sie erschrocken an. Ich meine, selbst wenn es die
Wahrheit ist, kann sie das doch nicht einfach so drastisch aussprechen.
»T-tue ich doch gar nicht«, stammelte ich. »Mit Michael hat das nichts zu tun. Ich meine, klar bin ich traurig, dass wir nicht mehr zusammen sind. Aber, es ist… es ist viel mehr als das.«
»Weißt du, was mich wirklich beunruhigt?«, sagte Mrs Gupta. »Ich habe den Eindruck, dass du dich von deinen alten Freundinnen entfernst. Mir ist aufgefallen, dass du in der Cafeteria nicht mehr neben Lilly Moscovitz sitzt.«
» Sie sitzt nicht neben mir«, sagte ich empört. »Ich bin nicht diejenige, die …«
»Mir ist auch aufgefallen, dass du dich stattdessen mit Lana Weinberger angefreundet hast.« Mrs Guptas Lippen wurden ganz schmal, so wie die von Mom, wenn sie sauer ist. »Ich freue mich zwar, dass ihr euch nicht mehr gegenseitig an die Kehle geht, trotzdem frage ich mich, ob ihr beide so viele gemeinsame Interessen habt …«
Jetzt, wo ich Brüste hab, schon. Lana kennt sich mit BHs und Nippelkaschierung echt gut aus.
»Ich finde es sehr nett, dass Sie sich Sorgen um mich machen«, sagte ich. »Aber Sie dürfen eins nicht vergessen.«
Sie sah mich erwartungsvoll an. »Ja?«
»Ich bin eine Prinzessin«, fuhr ich fort. »Ich werde von jeder Universität, an der ich mich bewerbe, mit Handkuss genommen. Die wären alle stolz darauf, eine Studentin zu haben, die eines Tages ein Land regieren wird. Insofern ist es total egal, ob ich in der Spanisch-Film-AG sitze oder mich im Komitee für Schulfeste engagiere. Trotzdem …«, ich stand auf und winkte mit meinem Tagebuch, »danke, dass Sie sich Sorgen um mich machen.«
Als ich aus Mrs Guptas Büro kam, klingelte mein Handy und Grandmères Name blinkte auf dem Display.
Toll. Anscheinend sollte mir heute keine Ruhe vergönnt sein.
»Amelia«, keifte sie, als ich mich meldete. »Wo bleibst du denn? Ich warte!«
»Grandmère? Ich verstehe nicht? Wir haben diese Woche doch gar keinen Prinzessunterricht.«
»Das stimmt«, sagte Grandmère. »Aber wir haben heute einen Termin bei Chanel, um dir ein Kleid für die Gala am Freitag auszusuchen. Ich warte vor der Schule in der Limousine. Oder hast du das etwa vergessen?«
Ja, hatte ich. Aber was nützte mir das? Gar nichts.
Und deswegen sitze ich jetzt hier bei Chanel.
Die Schneiderinnen sind alle begeistert über meine neue Oberweite, weil sie jetzt nicht mehr die Bustiers von allen Kleidern enger nähen müssen, die Grandmère für mich aussucht. Ich muss zugeben, dass das Kostüm, das sie mir für die Gala gekauft hat, ziemlich schön ist. Und ich darf sogar endlich Schwarz tragen.
»Dein erstes Chanelkostüm«, hat Grandmère geseufzt. » Mon dieu , die Zeit fliegt nur so dahin! Es kommt mir vor, als sei es erst gestern gewesen, dass du als kleine Vierzehnjährige mit aufgeschlagenen Knien zu mir kamst und nicht einmal wusstest, wie man Fischbesteck benutzt! Und sieh dich nur an! Du hast BRÜSTE!«
So ein Quatsch. Ich hatte mit vierzehn nie aufgeschlagene Knie.
Sie hat eine Rede mitgebracht. Für die Gala. Wahrscheinlich hat sie die Hoffnung aufgegeben, dass ich jemals selbst eine schreibe, und deshalb eine Ghostwriterin engagiert, die mir einen zwanzigminütigen Monolog über die Probleme der Abwasserwirtschaft in Genovia geschrieben hat. Grandmère hat gesagt, die Verfasserin hätte einmal eine berühmte Rede über Tausend strahlende Lichtpunkte geschrieben.
Ich hab mich schon gefreut, weil ich dachte, dass sie vielleicht Drehbuchschreiberin für »Star Trek: Das nächste Jahrhundert« gewesen ist. Aber dann hat sich herausgestellt, dass
das bloß ein Satz aus der Antrittsrede von Präsident Bush war.
Toll.
Grandmère will, dass ich die Rede auswendig lerne, damit sie »spontaner« wirkt.
Zum Glück hab ich Zeit zu lesen, während sie mir das Kostüm anpassen.
Nur dass ich nicht meine Rede lese. Weil Grandmère nämlich unten in der Boutique ist, um sich selbst ein Kleid für die Gala zu suchen. Sie kommt als meine »Anstandsdame« mit. Bestimmt hofft sie, dass uns dann beiden die Mitgliedschaft bei Domina Rei angeboten wird.
Vielleicht überlege ich mir sogar, ob ich mitmache. Dann könnte ich Mrs Gupta sagen, dass ich mich in meiner Freizeit in einem Verein engagiere. Das wird
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