Pelagia und der rote Hahn
Gegenfrage handelte, und auch die höchst ungute Intonation, mit der der Polizeimeister den zweifelhaften Familiennamen aussprach.
»Wie bitte sagten Sie gerade?«, fragte der Gast und verzog pikiert das Gesicht. »Ber-di-tschewski? Sehe ich etwa aus wie ein jüdischer Krämer aus Berditschew? Mein Name ist Berg-Ditschewski«, akzentuierte er scharf und hob eine Braue, als klemme ein unsichtbares Monokel in seiner Augenhöhle. »Meine Urgroßeltern haben bei ihrer Vermählung beschlossen, die Wappen der beiden Familien zu vereinigen, damit das alte Geschlecht der Ditschewskis, dessen einziger Nachfahre meine Großmutter war, nicht ausgelöscht werde.«
In den Augen des Hofrates spiegelte sich Entsetzen, sein aufgedunsenes Gesicht lief rot an.
»Um Himmels willen, ich bitte tausendmal um Entschuldigung . . . Ich habe Sie am Apparat nicht richtig verstanden. Die Verbindung war so furchtbar, wissen Sie!«
Um seinen Vorteil gebührlich zu nutzen, gab Berditschewski noch einen Schlag in dieselbe Kerbe. Mit einer lässigen Geste wischte er dieses läppische Missverständnis beiseite, beugte sich vor und senkte vertraulich die Stimme:
»Sagen Sie – Gwosdikow, ist das ein adliger Name?«
Der Polizeimeister errötete noch heftiger.
»Nein, ich bin gewissermaßen, das heißt eigentlich, äh, von bürgerlichem Stand. Bisher habe ich mir nur den persönlichen Adel erdient. . .«
Der Staatsanwalt gab sich einen Moment unschlüssig – lohnte es sich, das Gespräch mit jemandem von so niederer Herkunft fortzusetzen? Dann seufzte er und zeigte sich großmütig:
»Na, macht nichts, wenn Gott will, werden Sie sich schon noch irgendwann den erblichen Adelsstand erdienen. Auf uns Adligen ruht ja das Gebäude des russischen Staatswesens. Der Zar selber« – mit einer Geste zu dem Porträt im Rücken seines Gegenübers, welches künstlerische Qualität durch Größe kompensierte – »ist ja letzten Endes auch nur ein Primus inter Pares. Schließlich waren es unsere Vorfahren, die Michail Romanow auf den Thron erhoben. Auf unseren Schultern ruht die Verantwortung. Geben Sie mir nicht Recht?«
»Vollkommen«, versicherte Gwosdikow, der mit äußerster Aufmerksamkeit lauschte. »Aber, Euer Hochwohlgeboren, ich verstehe nicht ganz . . .«
»Ich werde es Ihnen sogleich erklären. Ich sehe, ich habe einen ehrlichen, anständigen Menschen und Patrioten vor mir. Aber wozu sich verstellen? Ich habe schließlich Erkundigungen über Sie eingezogen. An kompetenter Stelle.« Matwej Benzionowitsch senkte bedeutungsschwer die Stimme. »Und deshalb möchte ich umgehend auf den Zweck meines Besuches zu sprechen kommen. Zweifellos sind Sie ja von Amts wegen ganz genau über alle in Shitomir existierenden gesellschaftlichen Bewegungen und Organisationen unterrichtet.«
»Wenn Sie die Nihilisten meinen, dann sollten Sie besser in der Gendarmerie . . .«
»Ich meine nicht die Nihilisten«, unterbrach Berditschewski den Polizeimeister wieder. »Ganz im Gegenteil. Mich interessiert eine im höchsten Maße obrigkeitstreue und staatstragende Organisation. Eben dieselbe, die ich zu Beginn unseres Gespräches erwähnte. Die Sache ist die, dass sich auch bei uns im Gouvernement Sawolshsk das Judenwesen erheblich ausgebreitet hat. Die Juden erlauben sich mittlerweile reichlich viel, sie haben sich die Gouvernementsbank unter den Nagel gerissen, geben sogar ein eigenes Käseblatt heraus und verdrängen die wahren Sawolshsker allmählich vom Markt. Nun haben wir, die aufrechten Patrioten der Region, beschlossen, uns bei Ihnen Rat zu holen. Man erzählt bei uns viel Gutes über die Shitomirer ›Leibgarde‹. Wenn Sie mir helfen, mich mit ihnen in Verbindung zu setzen, tun Sie ein gutes Werk.«
Semjon Likurgowitsch war offensichtlich geschmeichelt, aber er gab sich noch bedeckt:
»Ich persönlich, Herr Staatsrat, gehöre nicht der ›Leibgarde‹ an. Meine Stellung würde es auch nicht erlauben. Umso mehr, da, wie Sie selbst wissen, ihre Methoden, äh, sich nicht immer ganz im Einklang mit dem Gesetz bewegen . . .«
»Ich möchte noch einmal betonen, dass ich nicht in offizieller Eigenschaft hierher gekommen bin. Ich spreche jetzt nicht von Staatsanwalt zu Polizeichef, sondern von Adligem zu Adligem«, sagte Matwej Benzionowitsch vorwurfsvoll.
»Ich verstehe«, entgegnete der Polizeimeister hastig. »Ich habe das auch nur gesagt, um irgendwelchen Missverständnissen vorzubeugen. Ich bin kein Mitglied der ›Leibgarde‹ und, äh, billige nicht alle
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