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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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größer als die Propheten Moses und Elias. Um die Sache beim Namen zu nennen, er wäre der Messias, der die Welt errettet und mit Gott versöhnt.
    Übrigens war Schmulik ohne fremde Hilfe, nur mit seinem eigenen Verstand zu dieser großartigen Erkenntnis gekommen, und er hatte Raw Schefarewitsch, Gott behüte, seinen Geistesblitz nicht offenbart: Der Messias steigt nicht vom Himmel herab; der Messias wird derjenige sein, der den Namen Gottes entziffert und nicht fürchtet, ihn laut auszusprechen, der die Verantwortung auf sich nimmt für alles, was auf der Erde geschieht. Und dann wird eines Morgens die Sonne nicht mehr hinter den Bergen zum Vorschein kommen, weil sie keinen Grund mehr hat, die Erde auszudörren. Denn der Mensch hat seine Aufgabe zu Ende geführt, und Asche wird zu Asche, und der Geist kehrt zurück zu Gott. Und alles dank Schmuel aus Shitomir, der irgendwann einmal Mamser hieß.
    Unter den Schülern des großen Raw Schefarewitsch – alle kurzsichtig, mit krummem Rücken und ewig laufender Nase – war er nicht der Einzige, in dem das Feuer jenes himmlischen Ehrgeizes brannte, der nicht im Entferntesten mit den jämmerlichen Träumen der Gojim von Karriere und Reichtum zu vergleichen ist. Doch Schmuliks Flamme brannte am hellsten, denn er war ein illuj. Madame Perlowa, die ihr ganzes Leben in Kiew verbracht hatte und kein Wort Hebräisch verstand, nannte ihn auf Russisch einen ›genialen Jungen«, was, unter uns gesagt, auch nicht so schlecht klingt. Irgendwann hatte sie ihn wohl auch mal einen »Mozart des Talmud« genannt, aber als Schmulik dann herausfand, dass dieser Mozart ein Musiker gewesen war, fühlte er sich doch etwas gekränkt. Kann man etwa die große Kunst der Kabbala mit dem Fiedeln auf einer Geige vergleichen! Andererseits, was kann man schon von einer Frau erwarten, die nicht einmal das einfachste Gebet auf Hebräisch aufsagen kann!?
    Ein illuj aus der Jeschiwa des großen Raw Schefarewitsch, so weit hatte es Schmulik in Jeruschalajim schon gebracht, obwohl er doch noch gar nicht lange hier war, erst seit ein paar Wochen.
    Natürlich, ohne den Raw wäre es nie so weit gekommen. So groß war der Ruhm seiner Gelehrsamkeit und Frömmigkeit, dass Rishon le-Zijon selber, der allerhöchste Rabbiner, der um den Hals eine Medaille des Sultans und einen Ksiwa mit den Siegeln des türkischen Großwesirs trug, den Weisen aus Shitomir aufgefordert hatte, mit seinen Schülern in die Heilige Stadt überzusiedeln. Wie oft kam das wohl vor, dass einem aschkenasischen Rabbiner solch eine hohe Ehre zuteil wurde?
    Es wurde unter den Juden viel darüber diskutiert, zu welcher Kategorie von Weisen Raw Schefarewitsch hinzuzurechnen sei: Ob er ein gaon war, also einer der großen Religionslehrer, oder ein lamed-wownik, das heißt einer jener 36 Gerechten, die es auf der Welt immerzu geben muss, weil Gott nur ihretwegen unsere sündige Erde nicht vernichtet. Sollte es nur ein einziges Mal auch nur einen einzigen lamed-wownik weniger auf der Erde geben – Schluss, aus, Ende. Wegen fünfunddreißig Gerechten würde ER das nicht länger mit ansehen wollen.
    Als im vergangenen Jahr Raw Schefarewitsch an Mumps erkrankte (jeder weiß ja, wie gefährlich diese Krankheit für einen nicht mehr ganz jungen Menschen ist), war Schmulik der Schreck in die Glieder gefahren: Gebe Gott, dass der Lehrer nicht stirbt, sonst haben wir am Ende keinen neuen lamed-wownik, und was dann? Aber der Raw kriegte noch mal die Kurve und blieb am Leben, er wurde bloß noch grimmiger.
    Der große Schefarewitsch war ein ganz besonderer Mensch. Wie man weiß, wird ja bei der Geburt in jede Seele ein Funken Gottes hineingelegt, aber bei ihm war es nicht bloß ein Funken, auch nicht eine Kerze, sondern eine Fackel, ein ganzes Lagerfeuer - es wurde einem schon ganz heiß, wenn man bloß neben ihm stand. Ungefährlich war es auch nicht, man konnte sich leicht mal die Finger verbrennen. Deshalb hatte der Raw in Shitomir viele Feinde gehabt, und auch in Jeruschalajim gab es schon einige, die ihn schief ansahen, obwohl sie doch erst vor einem Monat hier angekommen waren. Man sagte, er sei zu jähzornig.
    Na ja, ganz falsch war das nicht. Er war ein strenger Lehrer. Wenn er ins Klassenzimmer kam und sah, dass einer sich noch nicht das Gesicht gewaschen hatte und bloß so dasaß und verschlafen in die Gegend guckte, dann gab es »och un wej«, das heißt »ach« und »weh«, oder, biblisch ausgedrückt, Heulen und Zähneknirschen.
    Deshalb legte

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