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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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fünfundzwanzigtausend erbittet.«
    Ephraim Lejbowitsch verdrehte als Zeichen des Respekts vor dieser Summe die Augen.
    »Dieser Jemand ist noch nicht lange in Sawolshsk, Immobilien besitzt er auch keine, und normalerweise würde ich ihm das Geld nicht geben, aber – in diesem Fall liegt ein besonderer Umstand vor. Er selber ist ein goj, ein Adliger, aber er hat die Bürgschaft eines Juden gebracht, und zwar nicht von irgendeinem lajdaky sondern eine Bürgschaft des ehrenwerten Rab Schefarewitsch aus Ihrer Stadt.«
    Golossowker hob die Augenbrauen, und Berditschewski verstummte sofort – kam vielleicht irgendein Kommentar? Nein, es kam keiner.
    »Herr Schefarewitsch ist natürlich jemand; sogar in Sawolshsk kennt man ihn und sein ›Goel-Jissrael‹. Eine Bürgschaft des Rebbe kann man nicht so einfach abtun. Außerdem ist der Zinssatz sehr profitabel. Aber da ich ein gründlicher Mensch bin, dachte ich, ich fahre lieber her und prüfe nach. Tja, und was erfahre ich hier? Der Rebbe ist aufgebrochen nach Jeruschalajim, hejlige schtot.« Als Matwej Benzionowitsch den Namen der Heiligen Stadt aussprach, hob er andächtig die Hände. »Und außerdem hat sich herausgestellt, dass mein Klient hier im Schuldenturm gesessen hat.«
    »Ah, wusst ich’s doch«, bemerkte der Wucherer mit Genugtuung. »Ein Gauner.«
    »Warten Sie, so einfach ist es nicht. Er hat zwar gesessen, aber nicht lange, jemand hat seine Schulden bezahlt, bis auf die letzte Kopeke. Und nun hat man mir zugetragen, das soll entweder Rabbi Schefarewitsch selber gewesen sein, oder einer seiner Anhänger. Die Frage ist jetzt also, kann man der Bürgschaft vertrauen? Ich bin zu Ihnen gekommen, Monsieur Golossowker, weil Sie meinen Klienten sehr gut kennen. Es handelt sich um einen gewissen Bronislaw Razewitsch, einen ehemaligen Schuldner von Ihnen. Denn das waren doch Sie, der ihn in den Turm gebracht hat, oder?«
    »Ja, das war ich«, lächelte der Wucherer, wie jemand, der sich an alte Siege erinnert. »Wie geht ein kluger Geschäftsmann mit seinem Geld um? Er teilt es in drei Teile: Den Hauptteil legt er sicher an, dafür mit wenig Gewinn. Den zweiten Teil investiert er in Geschäfte von mittelgroßem Risiko, die bringen ihm mittleren Profit. Und den kleinsten Teil verwendet er für eher zweifelhafte Projekte, bei denen man sein ganzes Geld sehr schnell verlieren kann, andererseits aber, mit etwas Glück, auch eine sehr hohe Rendite erzielt. Und so ein gescheft mit hohem Risiko ist zum Beispiel der Ankauf aussichtsloser Wechsel. Man kauft sie für zehn, manchmal für fünf Prozent. Aber das wissen Sie ja selbst.« Berditschewski nickte, obwohl ihm diese Wuchererweisheit vollkommen neu war. »Meistens verbrennt man sich die Finger, aber manchmal klappt es auch. Diese Wechsel von Razewitsch habe ich für tausend Silberrubel angekauft. Die Leute hatten jede Hoffnung aufgegeben, ihr Geld jemals wieder zu sehen, weil sie nicht wussten, wie sie an ihn herankommen sollten, er diente ja bei der Gendarmerie. Aber mich hat das nicht eingeschüchtert. Und ich habe alles gekriegt, die ganzen fünfzehntausend. Das war ein Geschäft mit hohem Risiko!«
    Golossowker hob bedeutungsvoll den Zeigefinger.
    Matwej Benzionowitsch brachte seine Begeisterung für die Geschäftstüchtigkeit seines Zunftgenossen angemessen zum Ausdruck und hakte dann vorsichtig nach:
    »Und wer hat nun den Wechsel bezahlt? Der ehrwürdige Rabbi Schefarewitsch?«
    Ephraim Lejbowitsch setzte eine verächtliche Grimasse auf.
    »Schefarewitsch soll einen Gendarmen freikaufen? A hiz in a parowos!«
    »Hitze in einer Lokomotive?«, fragte Berditschewski verständnislos. »Was bedeutet dieser Ausdruck?«
    Der Wucherer lachte:
    »Sie mit Ihrem Familiennamen sollten das eigentlich wissen. Das kommt aus Berditschew, aus der Zeit, als man dort die Eisenbahnlinie gebaut hat. Ich meine damit: Schefarewitsch braucht diesen Gendarmen so wenig, wie eine Lokomotive überflüssigen Dampf.«
    »Aber es könnte doch irgendeine besondere Verbindung zwischen den beiden geben, von der Außenstehende nichts wissen . . .«
    »Nein, nein und nochmals nein«, fuhr ihm Golossowker brüsk ins Wort. »Zwischen den Menschen kann es natürlich alle möglichen Verbindungen geben, aber auch Schefarewitsch kann sich schließlich keine fünfzehntausend aus den Rippen schneiden. Wer wüsste das besser als ich. Schefarewitsch und fünfzehntausend! Da kann ich ja nur lachen! Einen solchen umsin kann nur jemand glauben, der in Sawolshsk

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