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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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lebt. Jagen Sie Razewitsch zum Teufel, er ist ein Schwindler. Er wird Ihnen das Geld nie zurückzahlen, und die Bürgschaft hat er gefälscht, vermutlich weiß er, dass Schefarewitsch abgereist ist und nie mehr wiederkommt. Da haben Sie meinen Rat im Werte von fünfundzwanzigtausend Rubel!«
    Und das bekräftigte der Wucherer mit einer ausholenden Geste der Großzügigkeit.
    Triumph der Emanzipation
    »Moment, Moment«, rief Matwej Benzionowitsch erregt, dessen zweite und letzte Version damit in sich zusammenfiel. »Sie sagen, dass ›Goel-Jissrael‹ kein Geld hatte, um Razewitsch freizukaufen. Das ist schwer zu glauben. So ein angesehener Mann wie Rabbi Schefarewitsch braucht doch kein eigenes Kapital. Er muss nur mit dem kleinen Finger winken, und die reichen Juden geben ihm, so viel er haben will. Ich habe von einer Person, die vollstes Vertrauen verdient, gehört, der ehrenwerte Rabbi solle dem Propheten Ezechiel ähneln. Man sagt, einen so strengen und kämpferischen Juden habe es seit den Zeiten von Judas Makkabäus nicht mehr gegeben, und in Rabbi Schefarewitsch sei die Kraft und der Zorn Israels wiedererstanden.«
    »Spucken Sie dem, der Ihnen das gesagt hat, ins Gesicht. Schefarewitsch ist ein ganz gewöhnliches Großmaul, wie sie die dürre Erde der Diaspora in Massen hervorbringt. Die lassen ihre Bärte zittern, rollen die Augen und stoßen wilde Drohungen aus, in Wirklichkeit aber sind sie wie die Ringelnattern, die zwar viel Gezischei machen, deren Biss aber vollkommen harmlos ist.« Golossowker seufzte schwer. »Es gibt allerdings neue Makkabäer, nur, die tragen keine Schläfenlocken und heiligen nicht den Schabbat, das können Sie mir glauben.«
    »Sie meinen die Zionisten?«
    »Einige von ihnen.« Der Wucherer schielte zu dem jungen Mann und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Wissen Sie, wofür ich die fünfzehntausend ausgegeben habe, und sogar noch fünftausend mehr?« Er breitete die Hände zu einer leidvollen Geste. »Sie werden es mir nicht glauben. Für die Trockenlegung irgendwelcher Sümpfe in einem Tal in Palästina. Was halten Sie davon? Wo ist Ephraim Golossowker, und wo sind diese Sümpfe, frage ich Sie?«
    »Nun, eine edle Tat«, antwortete Berditschewski zerstreut. Er war mit seinen Gedanken schon woanders.
    »Wenn man so nachdrücklich darum gebeten wird, wird jeder zum Wohltäter, och-n-wej . . .«
    Der Tonfall, in dem diese Bemerkung ausgesprochen wurde, ließ den Staatsrat aufhorchen.
    »Hat man Sie gezwungen? Wurden Sie etwa erpresst?«
    »Nein«, entgegnete Ephraim Lejbowitsch bitter. »Dieser Herr hat mich nicht erpresst. Er ist einfach zu mir ins Hotel gekommen, ein höflicher junger Mann im Cutaway und mit Krawatte, und hat ganz freundlich zu mir gesagt: ›Sie sind ein reicher Mann, Monsieur Golossowker, und Sie sind im Wesentlichen dadurch reich geworden, dass Sie den armen Juden das Blut ausgesaugt haben. Jetzt ist die Zeit gekommen, mit Ihrem Volk zu teilen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie in den nächsten drei Tagen zwanzigtausend Rubel in die Kasse der Kommune ›Megiddo-Hadasch‹ einzahlten. Zahlen Sie nicht, müssten wir uns noch einmal wieder sehen.‹ Und dabei ist er nicht einmal laut geworden, wissen Sie, ganz anders als Rabbi Schefarewitsch. Ich dachte: Das ist eine Schlange, die nicht zischt, aber wenn sie beißt, dann neschine gedacht. Ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, diesen jungen Mann noch einmal wieder zu sehen.«
    »Wann war das? Und wo? Wer war dieser Mensch?«
    »Wann, fragen Sie? Vor vier Monaten. Wo? In Odessa, sol doch farchapt wem. Ich war in geschäftlichen Angelegenheiten dort.«
    »Und wer war nun dieser Bandit?«, fragte Matwej Benzionowitsch noch einmal.
    »Das Wort haben Sie gebraucht, nicht ich«, sagte der Wucherer und blickte zur Tür, obwohl es von Odessa bis hierher gut fünfhundert Werst waren. »Viele Juden halten ihn für einen Helden. Tja, Helden und Banditen backt man aus demselben Teig, wenn Sie mich fragen. Aber das nur nebenbei. Der höfliche junge Mann, der mich aufsuchte, hieß Magellan. Ich habe einige Erkundigungen über ihn eingezogen, und was ich da zu hören bekam, das klang nicht gut. Also, denke ich, Sümpfe hin oder her, zwanzigtausend Rubel sind zwar sehr viel Geld, aber was kann ein Toter damit anfangen?«
    »So schlimm?«, grinste Berditschewski, den diese Geschichte amüsierte. Wer hätte gedacht, dass der Shitomirer Gobsek so leicht zu beeindrucken war?
    »Ich werde Ihnen nicht alles im

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