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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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ein ziemlich hitziges Gespräch. Die beiden kriegten ordentlich was ab, die Nonne und ihr Araber. Aber dann hatten sie sich wohl irgendwie miteinander arrangiert, der Rotfuchs huschte wieder durch jene Pforte, der Bärenkerl blieb mit dem Kutscher zurück. Die beiden unterhielten sich über irgendwas.
    Jakow Michailowitsch schlich näher.
    Das Gespräch wurde auf Russisch geführt. Sieh an!
    ». . . is ja verloren ohne ’n Aufpasser«, hörte er einen gedämpften Bass. »Er is ja wie’n kleines Kind! So ein‘ kann man doch nich allein lassen.«
    »Ich bin auch ein Aufpass«, antwortete der Araber wichtig. Ich aufpass sie. Die Frau! Hundert Mal schon wäre sie verschüttet gelaufen ohne mich.«
    »Klar, ein Weib ist ein Weib«, sagte der Bär verständnisvoll.
    Ach so, jetzt kapierte er, was das für einer war. Davon, dass Manuila einen Leibwächter hatte, hatte man Jakow Michailowitsch kein Sterbenswörtchen gesagt. Er wurde direkt ein wenig sauer auf seine Chefs. Mit so was treibt man keine Scherze, meine Herren, man muss doch schließlich wissen, woran man ist.
    Jakow Michailowitsch konzentrierte sich. Das technische Problem war doch komplizierter, als er zunächst gedacht hatte.
    Er starrte in die Dunkelheit und versuchte, seinen Gegner zu taxieren.
    Anscheinend recht kräftig und ziemlich gefährlich. Jakow Michailowitsch kannte diese robuste Sorte Mensch sehr gut, solche Burschen legt man nicht mit einem Schlag flach, die sind zäh. Bei so einem war höchste Sorgfalt gefragt, dilettantisches Rumgehampel konnte er sich da nicht leisten.
    Der Araber fiel nicht ins Gewicht: so ein spackes Kerlchen, und auch nicht grad ein großer Held, bei dem brauchte man nur mal kurz »Buh« machen. Jakow Michailowitsch hatte sich auf seinen Wanderungen an diesen kleinen Großkotz direkt gewöhnt, er hatte ihn geradezu lieb gewonnen. Ein richtig lustiger Bursche war das, grinste ununterbrochen übers ganze Gesicht. Nachts hatte sich Jakow Michailowitsch manchmal ganz nah an den Hantur herangeschlichen und zugehört, wie der Araber sang.
    Er nahm sich vor, ihn nicht abzumurksen. Wäre schade um ihn. Natürlich, erforderlichenfalls würde er ihn sofort abmurksen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Aber dieser Hasenfuß würde ihn ganz bestimmt nicht anschwärzen, das sagte ihm die Psychologie – eine Wissenschaft, der Jakow Michailowitsch großen Respekt zollte.
    Bei dem Araber kam es nur darauf an, ihm klarzumachen, dass er kein Geschrei veranstalten sollte. Aber so einfach war das auch wieder nicht. Eine Aufgabe mit zwei Unbekannten: Erstens – dem Araber den Mund stopfen, und zweitens – Meister Petz umlegen. Und das alles lautlos.
    Er grübelte und überlegte eine halbe Minute, dann hatte er es.
    Er schlich zurück bis zur Straße. Dort fand er einen hübschen Knüttel, der aussah wie eine Speiche von einem großen Wagenrad, eineinhalb Arschin lang. Das Ende war gespalten, deshalb hatte man sie wohl weggeworfen. Das war genau das, was er brauchte.
    Als Jakow Michailowitsch in die Gasse zurückkehrte, hinkte er. Sein Rücken war tief gebeugt, und die Beine schienen ihn kaum zu tragen, schwer stützte er sich auf seinen Stock. Dabei murmelte er unentwegt irgendetwas vor sich hin. Ein armer alter Krüppel, vor dem brauchte man doch wohl keine Angst haben!
    Trotzdem drehten sich der Bär und der Araber sofort zu ihm und beobachteten ihn misstrauisch.
    Jakow Michailowitsch hinkte unbeirrt weiter, und als er fast bei ihnen war, tat er, als habe er sie gerade erst bemerkt. Er ließ sogar einen kleinen erschrockenen Aufschrei hören – das sind doch hoffentlich keine bösen Menschen?
    Er schlurfte ganz nah heran und verbeugte sich. Mit der linken Hand stützte er sich auf den Stock, die rechte legte er nach Landessitte an Brust und Stirn.
    Mit fistelnder, kläglicher Stimme sagte er zu dem Araber:
    »Dshamal li ballachi ibn churtut?«
    Was er da gefragt hatte, wusste er selber nicht – wie denn auch, es war ja völlig sinnloses Gebrabbel, aber der russische Petz würde es mit Sicherheit für irgendeinen arabischen Dialekt halten.
    Der Bär ließ auch prompt die Schultern sinken und entspannte sich.
    Dafür wunderte sich Salach umso mehr.
    »Hä?«
    Jakow Michailowitsch verbeugte sich nochmals, ganz langsam, schnellte dann wie eine Feder auseinander und knallte dem Araber mit den Fingerknöcheln eins auf die Nase – knacks!
    Der Schlag war kräftig gewesen, aber nicht zu kräftig, sonst hätte es ihm womöglich den

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