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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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das Verhältnis zwischen Herrn Dolinin und ihr aufs Freundschaftlichste gestaltet habe, möglicherweise auf Inhalt und Ton der Relation, die der Untersuchungsführer nach Petersburg schicken werde, günstigen Einfluss werde nehmen können.
    Der Bischof hörte seiner geistlichen Tochter aufmerksam zu und gab mit einem Nicken zu erkennen, dass ihm ihre Argumente einleuchteten. Dann sagte er lange nichts mehr. Als er schließlich den Mund wieder auftat, sprach er über etwas ganz anderes.
    »Vielleicht hat Pobedin ja Recht, vielleicht solltest du wirklich keine Nonne sein«, sagte der Bischof nachdenklich. »Warte, reg dich nicht auf. Wir haben zusammen viel über den Sinn und die Bestimmung des irdischen Lebens nachgedacht, und eigentlich waren wir beide zu dem Ergebnis gekommen, dass die vornehmste Pflicht jedes Menschen vor Gott darin besteht, sich selbst zu finden, seinen eigenen Weg, und sein eigenes Schicksal zu leben, nicht das eines anderen. Du selbst hast einmal gesagt, das größte Unglück der menschlichen Gattung rühre daher, dass neunhundertneunundneunzig von tausend Menschen sterben, ohne sich selber erkannt zu haben, und ihr ganzes Leben lang versäumen, das ihre zu tun. Und ich glaube auch, dass Gott genau dies von uns erwartet – den eigenen Weg zu finden und ihn bis zum Ende zu gehen. Nehmen wir zum Beispiel dich. Du weißt genauso gut wie ich, dass es deine Bestimmung ist, menschliche Geheimnisse zu entschlüsseln. Aber du, Pelagia, tust etwas ganz anderes. Mag auch die Aufgabe einer Nonne – für die Seelen der Sünder zu Gott zu beten – die allerehrwürdigste sein, so bleibt doch die Frage, ob du dir nicht eine Sünde auflädst, indem du nicht dein Leben lebst, indem du das Talent, das Gott dir gegeben hat, missachtest! Denn das ist eine schwere, schwere Sünde, das ist das betrüblichste aller Verbrechen, die ein Mensch gegen Gott und sich selber begehen kann. Verstehst du, was ich meine?«
    »Doch, ich verstehe es«, antwortete die Nonne mit bebender Stimme. »Sie wollen damit sagen, mir fehle die Befähigung zum Nonnendienst und mein Platz sei nicht in einer Klosterzelle, sondern in der Welt. Sie glauben, dort sei mein Nutzen für Gott und die Menschen größer.«
    Sie senkte den Kopf, damit der Bischof nicht sah, wie ihr die Tränen in die Augen traten. Unversehens war das Gespräch vom männlichen in den weiblichen Modus gekippt, welcher Tränen und flehentliches Bitten verhieß.
    »Es mag durchaus sein, Eminenz, dass dem so ist. Aber haben Sie denn vergessen« – hier hob Pelagia das Gesicht und sah Mitrofani mit hell glänzenden Augen an – »dass ich den Schleier nicht aus Frömmigkeit heraus genommen habe, und nicht aus geistlicher Kraft, sondern weil ich am Rande des Abgrunds stand, der mich unaufhaltsam hinabzog, und ich schon kurz davor war . . .«
    Die Stimme versagte ihr, sie brachte den Satz nicht zu Ende.
    Damit war das logische Gespräch leider schmählich gescheitert.
    »Ich weiß es noch«, sagte der Bischof. »Ein tiefer Kummer hielt dich umfangen, eine selbstzerstörerische Verzweiflung.«
    »Aber ich hatte Glück. Der Herrgott hat Sie zu mir gesandt. Und Sie haben gesagt: ›Wenn du deine Seele nicht der ewigen Verdammnis preisgeben willst, dann gibt es nur eine Rettung: Halte dich an den Himmlischen Bräutigam, er wird dich niemals im Stich lassen, denn er ist unsterbliche«
    »Auch das habe ich nicht vergessen.«
    »Und ich habe auf Sie gehört, ich habe das Treuegelübde abgelegt – vor Ihm. Soll ich es jetzt brechen, nur weil ich so gut Geheimnisse auflösen kann?«
    »Jesus wird dich verstehen und dir vergeben.«
    »Natürlich. Trotzdem darf ich Ihm das nicht antun. Denn ich bin eine Braut Christi, ich muss Ihm dienen.«
    »Man kann Christus auch in der Welt dienen, ebenso gut wie im Kloster – vielleicht sogar noch besser.«
    »Man kann es, ja, aber nicht mit seiner ganzen Kraft, weil man sich zerteilen muss zwischen dem irdischen Leben und der ewigen Liebe.« Pelagia trocknete sich mit einem Tuch die Augen, dann schloss sie mit fester Stimme: »Ich habe es Ihnen versprochen, und ich sage es nochmals: Es wird keine Ermittlungen mehr geben. Im Übrigen werden meine Fähigkeiten hier auch nicht benötigt. Herr Dolinin ist ein von Gott begnadeter Ermittler, mit ihm kann ich mich nicht messen.«
    Mitrofani sah seine rothaarige Vertraute zweifelnd an und seufzte schwer, aber er sagte nichts mehr.
    Damit entließ er sie.
    Die Erzählung eines Hahnreis
    Die Nachricht,

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