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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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sagend den Kopf. »Die Wunde ist vollkommen sauber, erstaunlich! Sie müssen wohl von Herzen gesaugt haben, mit Leidenschaft gewissermaßen. Alle Achtung!«
    Matwej Benzionowitsch errötete und traute sich nicht, Pelagia anzusehen. Die aber fragte:
    »Zusammengerührt? Wollen Sie damit sagen, Professor, dass jemand diese Substanz absichtlich hergestellt hat?«
    Sofort schämte sich Berditschewski: Da machte er sich Gedanken um irgendwelchen Unfug, und dabei . . .
    »Ganz ohne Zweifel«, sagte der Professor. »In der Natur kommt so ein Kompott nicht vor. Hier war ein Meister am Werke, allerdings mit Sicherheit keiner von hier, in Sawolshsk gibt es kein Labor, in dem man so etwas hergestellt haben könnte.«
    Als er den vollen Sinn dieser Bemerkung begriff, gefror dem Staatsanwalt das Blut in den Adern. Auch Pelagias Gesicht veränderte sich. Matwej Benzionowitsch liebte sie in diesem Augenblick so sehr, dass seine Nase zu kribbeln begann. Hätte jetzt jemand zu ihm gesagt: Dort ist das Subjekt, welches das Wesen, das dir so teuer ist, ums Leben bringen wollte, er wäre dem Missetäter unverzüglich an die Gurgel gegangen, hätte ihn ohne viel Federlesens erwürgt und . . . Hier wurde es Berditschewski, einem friedliebenden Ehemann und Familienvater, schwarz vor Augen, und Atemnot stellte sich ein. Niemals hätte er solch eine Wut in sich vermutet.
    Noch in derselben Nacht wurde im Hause des Bischofs eine außerordentliche Zusammenkunft abgehalten.
    Matwej Benzionowitsch war sehr blass, doch wirkte er gefasst und entschlossen; nur griff er sich noch häufiger als gewöhnlich an die Nase.
    »Wir können jetzt mit Gewissheit davon ausgehen, dass wir es nicht mit einem geisteskranken Einzelgänger zu tun haben, sondern mit einer ganzen Bande. Folglich dürfte die ›War-schauer‹-Variante die wahrscheinlichste sein. Für diese Klientel ist es Ehrensache, jeden ihrer Leute zu rächen. Wenn die es sich einmal in den Kopf gesetzt haben, dass Schwester Pelagia einen von ihren Leuten abgemurkst hat, werden sie nicht eher Ruhe geben, bis sie sie umgebracht haben. Ich werde alle anderen Vorgänge zurückstellen, und wenn es sein muss, fahre ich bis nach Warschau oder Moskau, oder auch nach Shitomir, aber ich werde diese Halunken kriegen. Wie lange das dauern wird, lässt sich natürlich nicht sagen. In der Zwischenzeit schwebt unsere verehrte Schwester jedenfalls in Lebensgefahr, und wir wissen nicht einmal, von welcher Seite der nächste Schlag zu gewärtigen ist. In dieser Hinsicht hoffe ich auf Sie, Eminenz . . .«
    Der Bischof, den man aus dem Bett geholt hatte, trug einen Morgenrock und Filzpantoffeln. Seine Hände zitterten vor Aufregung und zupften und zerrten unentwegt an seinem Leibkreuz herum.
    »Das Allerwichtigste ist, sie erst einmal in Sicherheit zu bringen«, sagte Mitrofani heiser. »Ich kann an nichts anderes denken. Ich werde sie so weit wie möglich von hier fortschicken, in irgendein ruhiges Kloster. Und zu niemandem ein Wort. Und dich frage ich gar nicht!«, fuhr er seine geistliche Tochter an und erwartete, dass sie widersprechen würde.
    Aber die Nonne schwieg. Der hinterhältige Anschlag mit dem Nagel hatte ihr anscheinend einen gehörigen Schrecken eingejagt. Berditschewski tat die Arme so Leid, dass er anfing zu blinzeln, und auch der Bischof runzelte die Stirn und räusperte sich.
    »Die Vorsteherin des Snamenski-Klosters an der Angara ist mir verpflichtet. Ich habe dir schon von ihr erzählt. Der Ort ist sehr abgelegen, es ist wunderbar ruhig dort«, sagte der Bischof, »und am Ussuri gibt es noch eine ganz nette Einsiedelei. Dort erkennt man jeden Fremden auf zehn Werst Entfernung. Der Abt ist ein alter Freund von mir. Ich werde dich selbst hinbringen, an die Angara oder an den Ussuri, wohin du willst.«
    »Nein!«, riefen der Staatsanwalt und die Nonne gleichzeitig.
    »Das geht auf gar keinen Fall«, erklärte Berditschewski. »Sie fallen zu sehr auf. Man wird uns mit Sicherheit verfolgen, es steht außer Frage, dass sie uns nicht aus den Augen lassen werden. Wir müssen äußerst vorsichtig vorgehen, so geheim wie möglich.«
    Pelagia fügte hinzu:
    »Am besten fahre ich allein.«
    »Es wäre natürlich gut, wenn sie diese Reise nicht im Nonnenhabit unternähme, sondern in gewöhnlicher Kleidung«, schlug Berditschewski vor, obwohl er erwartete, dass diese Idee zurückgewiesen würde.
    Mitrofani und die Ordensschwester wechselten daraufhin Blicke, sagten aber nichts.
    »Ich habe einen Eid

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