Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
Reparaturen.
Er arbeitet langsam und sorgfältig, und alle sagen, daß er es gut macht.«
»Das tut er wirklich. Darf ich darauf spielen?« Und als Winnt sie ihr zurückgab, setzte sie sich auf die Bank an der Seite und schlug, nachdem sie sie ge-konnt gestimmt hatte, ein Lied an, wie es Winnt noch nie gehört hatte. Nach einiger Zeit begann sie, mit alter, zittriger Stimme zu singen: »Aven, Mutter
von allem, was lebt, bring uns den feuchten Wind, oh, wohne in unserem Stein.
Segne uns mit Schauern,
gib Nahrung allen,
härte unser Metall,
gib Wachstum der Saat.
Rette uns vor den Stämmen,
liebe, vergib,
auf ewig wollen wir
beten zu dir.«
Das spielte sie, leise vor sich hinsingend, dann spielte sie ein trauriges Lied in Moll und summte nur leise dazu. »Ein schönes, kräftiges Instrument«, sagte sie schließlich und gab es ihm zurück. »Wie spielst du es?«
»Ich kann im Liegen nicht sehr gut spielen, aber ich werde es versuchen.« Und Winnt klimperte mehrere Lieder, dann leitete er in einen schwierigen, schnellen Houkatanz über. Inzwischen stand ein Publikum aus drei Frauen in der Tür, aber er konnte sie von da, wo sein Bett stand, nicht sehen. Eine Frau war Cise, die ihm den Apfel gegeben hatte. Schließlich stimmte Winnt ein einfaches, eigenes Lied an, und da der Sentani-Dialekt dem der Pelbar sehr nahe verwandt ist, konnten ihn alle verstehen: »Regen des Sommers, Stürme des Herbstes, ihr peitscht durch unsere Halle. Ich komme nicht.
Schnee des Winters, Brise des Frühlings, nie bringt ihr Grüße meiner Sippe.
Unter dem Hochstein liege ich, ein Zeitloser, Ewigkeiten vergehen.
Nie kann ich laufen, spüre ich Liebe, nie bescheint mich von oben die Sonne.«
Jede Zeile wurde für sich gesungen und von Saiten-spiel begleitet, das ganze Lied wurde in einem weichen, eintönigen Tenorsingsang vorgetragen und war für die Pelbar fremd und neu. Sendi, die alte Frau, bat ihn, es noch einmal zu spielen und achtete sorgfältig auf seine Fingertechnik, während er das Lied durch-spielte wie zuvor, nur waren einige Improvisationen ziemlich verändert.
»Das war nicht so wie vorher«, sagte sie.
»Nein. Wir verändern die Lieder immer, wenn wir sie spielen. Tut ihr das nicht?«
»Nein. Bei uns sind sie immer gleich.«
»Ach. Für uns ist das Abändern der größte Teil des Vergnügens.«
»Wovon handelt dieses Lied?«
»Es wurde von Oman, einem Zentralführer, geschrieben, vor fast zweihundert Jahren. Er wurde in einem Kampf verwundet und wußte, daß er sterben würde, und da schrieb er seine eigene Totenklage.«
»Er glaubte also nicht daran, daß er ewig leben würde?«
»Ewig leben? – Nein. Er lag im Sterben und wußte es. Er liegt hoch oben auf einem Felskamm über dem Großen Sentan Fluß, nahe an der Stelle, wo er in den Heart mündet. Ich war oft dort. Es ist ein trauriger Ort, von der gleichen Art wie sein Lied.«
»Rechnet deine Religion nicht mit dem Leben nach dem Tode?«
»Leben nach dem Tode? Nein. Was ist das? Es gibt an bestimmten Orten Geister, und einige stehen mit Männern und Frauen in Beziehung. Meinst du Geister?«
»Nein. Ich meine Armon, den Ort des Friedens und der Freude nach dem Tod, wohin alle gehen und wo man nicht kämpft und sich auch nicht versteckt.«
»Ich habe nie von einem solchen Ort gehört.«
Sendi erhob sich. »Es ist Zeit, zu meinen Webern zurückzukehren. Wir arbeiten an sich überlappenden, quadratischen Schulterkrägen, und sie müssen viel überwacht werden. Guten Tag, Sentani. Mein Name ist Sendi von Ieon. Du bist Winnt?«
»Ja, ich bin Winnt von der nördlichen Sternenbande von Koorb.«
Die alte Frau strich mit leichter Hand über seine Decke und ging lächelnd durch die inzwischen leere Tür hinaus.
Als Cise an diesem Abend die Berichte über die Ke-ramikarbeiten des Monats ordnete, summte sie leise vor sich hin, immer die gleiche Melodie, während ih-re Mutter, die Aufseherin Calen, jede Warenkategorie aufrief. Die ältere Frau konzentrierte sich, so gut sie konnte, trotz all der unglücklichen und sonderbaren Ereignisse, die ihr im Kopf herumgingen, und diese zusätzliche Störung begann sie zu reizen. »Unter dem Hochstein«, sang Cise hörbar.
»Unter was? Was singst du denn da?« fragte Calen.
»Oh, das ist ein Lied«, sagte Cise. »Entschuldige, ich wollte dich nicht stören.«
»Was ist ein Hochstein?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie kannst du dann davon singen?«
»Ach, das ist nur ein Lied, das der Sentani unten im
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