Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
Ich interessiere mich besonders dafür, wo sie vorkommen, weil ich keine Gelegenheit habe, sie zu beobachten, und ich möchte auch noch einiges über ihre Gewohnheiten wissen.«
»Ihre Gewohnheiten?«
»Ja, ihre Gewohnheiten. Nun habe ich gehört, daß ihr nach Norden ziehen wolltet, um das Caracajawat zu jagen.«
»Das was? «
»Diese Tiere«, sagte sie und schwenkte eine Illu-stration.
»Ach so. Die Flachhornhirsche.«
»Nun, Hirsche sind es eigentlich nicht, aber wir können sie so nennen, wenn du möchtest. Und jetzt erzähl mir bitte, was du über sie weißt.«
Winnt seufzte. »Nun, als erstes stimmt dein Bild nicht. Hier, gib es mir! Siehst du, da, wo die Beine so kurz sind. Sie gehen so nach unten. Hier, kannst du mir einen Federkiel und ein Blatt Papier geben?«
»Entschuldige mich«, sagte Jestak. »Ich sehe, du bist in guten Händen. Ich muß mich jetzt bei Manti melden.« In der Tür hob er die Hand.
»Oh. Ja«, sagte Winnt. »Du mußt dich melden.« Er rollte die Augen. »Ja, schon gut, leb wohl. Nun, Madam ...«
»Madam?«
»Nun ja. Die Beine, siehst du, sie müssen so lang sein, damit sie mit dem tiefen Schnee fertigwerden.
Eigentlich sehen sie so aus ...« – und er begann mit einer Geschicklichkeit zu zeichnen, die die Naturkundige überraschte, da sie anscheinend nur eine Folge von Grunzlauten erwartet hatte.
Als Jestak am nächsten Morgen weitererzählte, war der Gerichtssaal gedrängt voll. »Die Städte im Osten sind nicht so, wie ihr sie euch vorstellt. Sie sind keine Lösung für irgendein Problem, obwohl wir vielleicht Handel mit ihnen treiben könnten. Es gibt acht davon, und sie liegen über die ganze Ostküste des Kontinents verteilt. Ich habe den Verdacht, daß sie in der Zeit des Feuers nicht so stark beschädigt wurden und sich daher einige Einrichtungen aus diesen Zeiten erhalten haben. Das ist ihre Verteidigung, denn sie selbst sind bestimmt nicht besonders erfinderisch.«
»Ich verstehe nicht, Jestak. Was für eine Zeit des Feuers? Meinst du die Zeit, in der die Ruine von Peo entstanden ist und die in Highkill und die anderen drei?«
»Protektorin, wo immer ich hinkam, überall bin ich auf Ruinen gestoßen. Nicht viele, denn sie sind sehr alt, aber es scheint klar zu sein, daß einst das ganze Land dichter von Menschen bevölkert war. Es gibt Stücke von Straßen aus künstlichem Stein, die das Land noch nicht verschluckt hat, und sogar Teile von riesigen Brücken aus Metall. Und bei allen wird das gleiche Alphabet in den Worten verwendet, so wenige es auch sind. Es ist im wesentlichen wie das unsere.«
»Warte, Jestak! Das ist eine völlig neue Vorstellung.
Aber ich sehe, daß ich dich noch ein wenig gewähren lassen muß, damit wir zur Hauptgeschichte zurückkommen können.«
»Die Sentani kennen viele Ruinen. Die Shumai auch. Ich glaube, daß alle Stämme einst ein Volk gewesen sein müssen, ehe irgend etwas Schreckliches alles zerstörte und nur ganz wenige Menschen übrig-blieben, die voneinander isoliert waren. Und sie bildeten die Stämme, die erst im Laufe der Zeit miteinander in Kontakt kamen und sich dann verfeindeten.«
Eine Zeitlang saßen alle schweigend da. Schließlich bemerkte die Protektorin: »Wenn das, was du sagst, wahr ist, müssen wohl einmal sehr heftige Kriegs-handlungen stattgefunden haben.«
»Vielleicht«, gab Jestak zurück, »war auch ein Volk von jenseits des Meeres daran beteiligt, denn die Leute in Innanigan sagten, sie glaubten, so einen Ort gebe es, und ich fuhr mehr als tausend Ayas hinaus aufs Meer zu den Inseln.
Das ist aber nicht das einzige. Bis auf die Rits, die eine andere Sprache sprechen, verwenden alle Stäm-me Dialekte einer Sprache. Je weiter ich mich von zu Hause entfernte, desto fremder wurden die Dialekte, aber mit etwas Übung konnte ich sie alle verstehen.
Bis auf die Rits. Und einige von ihren Worten waren den unseren sonderbar ähnlich.«
»Jestak, wir müssen uns jetzt von deinen Spekula-tionen abwenden und zum Thema zurückkommen.
Was geschah, als du in Innanigan warst? Du hast uns erzählt, daß du versucht hast zu arbeiten, um die verlorenen Mittel wiedereinzubringen und so deine Befehle auszuführen. Fahre fort!«
»Es fiel mir sehr schwer, bis auf die einfachste und niedrigste Arbeit überhaupt etwas zu finden, und bei diesem Verdienst hätte ich nie das Geld für das Studium zusammenbekommen. Ich versuchte im Me-tallbereich zu arbeiten, weil ich dafür ausgebildet war, aber man wollte es mir nicht
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