Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
fandest du auf diesen östlichen Inseln vor, Jestak?«
»Keine, Protektorin. Sie waren ein Hafen des Friedens. Sie waren wie Pelbarigan oder Nordwall, aber im Freien. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich niemals von dort fortgezogen, aber ich hatte na-türlich eine Verpflichtung euch gegenüber, und so kehrte ich zurück.«
»Vielleicht«, sinnierte die Protektorin, »könnten wir alle dorthin gehen. Aber da das unmöglich ist, müssen wir die Dinge so nehmen, wie sie sind.«
»Ich wünschte, Protektorin, daß du wirklich dorthin gehen könntest. Es wäre eine Offenbarung für dich. Es gibt fünf Inseln. Nur zwei davon sind groß.
Die, auf der ich mich mehrere Monate lang aufhielt, Salzstrom, war die größte, und Midridge, die zweite, war die höchste. Obwohl sie klein war, umfaßte sie einen Berg, und auf seinem Gipfel brannte ein Feuer, das direkt aus der Erde kam.«
Die Protektorin schlug auf ihren hölzernen Gong.
»Das muß für den Augenblick genügen. Diese Wunder werden ständig größer, wie es scheint. Jestak, du mußt mit Ringer gehen, damit er einige von diesen Dingen aufzeichnet. Später möchte ich dich allein sprechen.«
Der Mond stand schon hoch, als Jestak sich vor der Protektorin verneigte, in demselben, kleinen, hohen Zimmer, wo sie auch Manti empfangen hatte. »Setz dich!« sagte sie. Dann holte sie eine polierte Holzkas-sette heraus, mit Knochen und Glimmer eingelegt, und stellte sie zwischen sich und ihm auf den Tisch.
Langsam hob sich den Deckel. Im Innern lagen, ra-schelnd und braun, mehrere Seiten bedruckten Materials mit Zahlen an den Ecken.
»Berühre sie nicht, Jestak. Sieh sie nur an. Versuche, nicht darüber zu atmen, denn sie sind sehr empfindlich. Ist das die Schrift, die du auf den Ruinen im Osten gesehen hast?« Jestak sah es sich an. »Ja, Protektorin. Das kann ich ein wenig lesen, weil ich mehrere solcher Schriften in Innanigan gesehen habe. Es ist eine alte Form dessen, was wir jetzt schreiben.
Schau, hier ist unser Wort für ›Pult‹. Es unterscheidet sich nicht sehr. Das hier stammt aus einem Buch.«
»Ein Buch?«
»Ja. In Innanigan hat man sie. Anstatt einzelner Pa-pierblätter zum Schreiben oder einer Rolle bündelt man die Blätter und befestigt sie an einer Seite aneinander, so. Dann hat jedes Blatt auf jeder Seite eine Zahl. Das bestätigt, glaube ich, meine Idee, daß die Zerstörung im Osten weniger vollständig war.«
»Welche Zerstörung?«
»Zur Zeit des Feuers, Protektorin.«
»Ach ja, du hast davon gesprochen. Warum, Jestak, sind dann die Städte im Osten nicht gediehen und haben sich bis zu uns nach Westen ausgebreitet?«
»Die Zerstörung muß trotzdem groß gewesen sein.
Es gibt wirklich sehr wenige Menschen, und das Land ist so riesig groß, daß es sich ein Pelbar nur schwer vorstellen kann. Hier im Nordwall zählen wir nicht mehr als tausend. In Innanigan sind es vielleicht zwanzigmal so viele, aber auch das ist wenig. Ich stelle mir vor, daß die Pelbar vielleicht mit einem Paar oder mit wenigen Leuten angefangen haben, und daß es bis heute gedauert hat, das, was wir jetzt haben, aus dem Nichts aufzubauen. Jedenfalls sehen wir uns alle sehr ähnlich, und die Abweichungen können damit erklärt werden, daß im Laufe der Jahrhunderte versprengte Angehörige der Stämme aufgenommen wurden.«
»Jestak, du liebst es, zu spekulieren.«
»Woher kommen diese Seiten, Protektorin?«
»Ich weiß es nicht, Jestak. Es ist ein großes Geheimnis so groß, daß es viele Generationen hindurch nur mündlich von einer Protektorin zur nächsten weitergegeben wurde. Aber ich werde dir die Ge-rüchte erzählen, wenn du mir versprichst, strengstes Stillschweigen zu wahren.«
»Das verspreche ich, Protektorin.«
»Es heißt, daß diese Blätter in der Ruine von Peo gefunden wurden, woher die Pelbar ursprünglich kamen, und daß sie aus der Zeit vor der stammen, die du die Zeit des Feuers nennst.«
Die beiden sahen sich lange an. »Jestak, das alles ist nun weit mehr als eine Sache des politischen Vorteils geworden, auch steht mehr als meine Würde oder deine Selbstbestätigung auf dem Spiel. Du gehst direkt an die Wurzeln der Pelbar-Gesellschaft. Wir müssen langsam vorgehen, sonst wird alles zerstört.
Aber wir müssen die Kraft aufbringen, etwas in Bewegung zu setzen. Du bist so verwegen. Vergiß nicht, daß du zu allen Zeiten die Interessen der Pelbar vertreten mußt! Darum bitte ich dich! Und ich habe so etwas noch nie zu einem Mann gesagt –
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