Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
Kod bemerkte. »Gerade vor ein paar Tagen waren wir auf ihrer Hochzeitsfeier in Nordwall.« Sie erklärten es den anderen.
»Das Mädchen«, fragte Jestak. »Habt ihr ein Mädchen gesehen?«
»Sie war in den vordersten Booten, nicht erreichbar für uns. War sie die Braut?«
»Ja. Sie wurde nicht verletzt?«
»Nein, aber ihren Anführer haben wir am Bein erwischt, gleich hier.«
»Da?«
»Ja.«
Jestak zuckte zusammen. Thro schüttelte den Kopf.
»Erst vor kurzem habe ich mit ihm Tee getrunken, im Gerichtssaal von Nordwall, zusammen mit der alten Dame, der Protektorin.« Er ging weg, dann drehte er sich um. »Habt ihr ihn getötet?«
»Er ist später gestorben«, sagte einer der Neuankömmlinge.
»Woher weißt du das?«
»Die Sentani haben mich mit einem Seil eingefangen und den Fluß hinunter zu einer Insel geschleppt, wo sie eine Zeitlang anlegten.«
»Warum haben sie dich nicht getötet?«
»Ich glaube, es war wegen der Frau. Sie heißt Ursa.
Ich wurde an einen Baum gebunden. Sie wollten Informationen von mir, aber ich sagte kein Wort. Sie wollten mich bestimmt töten. Die Frau bettelte, sie sollten es nicht tun. Als dann der Anführer starb, ging sie weg. Ich konnte sie weinen hören. Der Mann, den sie schickten, um mich zu töten, war ihr Gatte. Er sah mich lange an, mit dem Schwert in der Hand, aber aus irgendeinem Grund hat er mich nicht getötet. Er schnitt meine Fesseln ein Stück weit durch und sagte mir, ich solle mich hängen lassen, als ob ich tot wäre.
Er sagte es sehr langsam, damit ich ihn auch verstehen konnte. Dann riefen sie von den Booten nach ihm. Und er ging.«
»Es war wegen Ursa«, sagte Jestak.
»Ursa«, sagte Thro. »Weißt du, für mich hat sie dasselbe getan. Mich hat sie auch gerettet, im letzten Winter. Weißt du, wer sie ist?«
»Nein.«
»Sie ist die Enkelin von Dailda aus dem Lied, dem Kind des Axtschwingers, das man in Nordwall zu-rückgelassen hat.«
»Sie?«
»Ja. Ich verstehe nicht, was für eine Kraft sie besitzt.«
»Es ist die Liebe Avens«, sagte Jestak. »Winnt wird es ihr gesagt haben, als sie wieder beisammen waren, damit ihr Schmerz gelindert wurde. Ich vermute, Mokil wußte genug, um Winnt zu schicken.«
»Mokil?«
»Der Führer der nördlichen Sternspitze. In einem Kampf hätte er dich ohne mit der Wimper zu zucken getötet, aber die Sentani halten nichts davon, Wehrlo-se umzubringen. Und nun sag mir eines.«
»Was?«
»Warum habt ihr sie überhaupt angegriffen? Sie waren doch keine Bedrohung für euch. Euer ganzer Trupp wäre noch hier und der Axtschwinger auch, alle gesund und munter, und Willton wäre auf dem Weg nach Hause. Was war der Zweck der ganzen Sache?«
»Wir kämpfen immer gegen die Sentani. Das haben wir von jeher getan. Sie sind der Feind.«
»Es ergibt keinen Sinn.«
»Wenn du ein Shumai wärst, würdest du es verstehen.«
»Vielleicht. Aber ich bezweifle es.«
All das war sonderbar und neu, und in dieser Nacht starrten viele schweigende Gesichter ins Feuer.
Incor fing an, das Lied von Dailda zu summen, aber Thro gebot ihm Schweigen und sah ihn scharf an. Es gab keine Widerrede.
Am Morgen hatte sich Incor, genau wie drei andere, Thros Bande angeschlossen. Der Mann mit der verletzten Seite war sehr schwach. Man hatte ihn in eine Mattenhütte gelegt, wo er schwer atmend lag.
»Es sind die Bogen. Sie kämpfen nicht wie Menschen. Sie benützen Bogen. Was tust du da?«
»Ich bete für dich«, sagte Jestak.
»Wir haben nicht einmal dieselbe Gottheit.«
»Es ist dieselbe; wir geben ihr nur verschiedene Namen.«
»Er wird keinem Mann helfen, der aus eigenem Willen gekämpft hat.«
»Es freut mich, wenn du einsiehst, daß es keine so gute Idee ist. Aber er wird dir helfen. Er wird dich als irregeleitetes Kind ansehen. Man tötet seine Kinder nicht, aber vielleicht bestraft man sie – oder sie bestrafen sich selbst.«
»Ich sehe das nicht so. Aber wenn es mir besser geht, werde ich dir folgen und mit dir gehen.«
»Gut. Aven möge dich beschützen.«
»Sertine sei mit dir«, sagte der Verwundete.
Es war am späten Vormittag, als dreißig Männer in einer Reihe die Black Bull-Insel verließen und sich das südliche Flußufer hinauf auf den Weg machten.
Um leichter voranzukommen, wollten sie dem Fluß einen Tag lang folgen; wenn er sich dann nach Norden wandte, wollten sie abbiegen und durch die Wälder und das Grasland laufen. Das Tempo war schnell, obwohl alle Männer Bündel auf dem Rücken trugen. Mittags gab es einen
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