Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
Jestak. »Ich freue mich, hier bei euch und endlich nahe bei den Bergen zu sein.«
Ein allgemeines Gelächter folgte auf diese Bemerkung. »Sie sind nicht so nahe, wie du vielleicht glaubst«, sagte Whin, Ottans Frau. »Die Luft ist klar, und es sind immer noch viele Ayas bis dorthin. Die Berge sind sehr hoch. Oben auf den Gipfeln ist das ganze Jahr über Winter. Die Leute aus dem Osten verschätzen sich immer.«
Bald saß der ganze Trupp im Kreis und aß. Jestak zog viele Blicke auf sich mit seiner braunen Tunika und dem gerade geschnittenen Haar. Er rasierte sich auch das Gesichtshaar bis auf den Schnurrbart ganz ab, während es bei den Shumai üblich war, sich Bärte wachsen zu lassen. Die östlichen Banden stutzten sie ziemlich kurz, aber die hier im Westen ließen sie frei wachsen, und einige von den älteren Männern trugen lange, wallende Bärte.
»Jestak«, sagte Stantu, »du solltest deine Tonkiste rausholen und die Kinder damit unterhalten, wie du es bei Ary gemacht hast.«
»Ach, ich habe sie ihr geschenkt. Du wirst eine Meisterin vorfinden, wenn wir zurückkommen. Aber eine kleine Flöte habe ich noch.« Und bald spielte Jestak für einen Kreis von Kindern. Auch die Reiter hatten Flöten, die allerdings anders gestimmt waren, aber die Kinder schienen sich an den fremden Pelbartönen nicht zu stören, und bald tauschten er und sie Lieder aus, während sich die Gruppe entspannte.
Sie redeten bis tief in die Nacht hinein miteinander, und Stantu und Jestak erzählten von ihren Reisen.
Die Reiter halfen bereitwillig mit, den Trupp mit Vorräten zu versehen, und zwei Männer schlossen sich an, aber sie wollten nicht mehr tun, als ihr eigenes Land gegen die Emeri zu verteidigen, von denen sie häufig übervorteilt worden waren. Wieder lag der Unterschied in der Strategie und in den Bogen, jedenfalls nach Jestaks Ansicht.
Am Morgen stieß Ottan Jestak, der noch schlief, mit dem Fuß an. Der Pelbar war augenblicklich wach und auf den Beinen, was den Mann aus dem Westen überraschte. »Oh«, sagte er, »du bist es. Ich muß geträumt haben. Es tut mir leid. Ich bin so ausgebildet. Ich bin weit von zu Hause weg.«
»Macht nichts. Ich habe gehört, daß du ein Paar Pferde kaufen willst. Bist du je auf einem geritten?«
»Nein, bis jetzt hatte ich noch nicht einmal eins gesehen.«
»Dann komm! Wir müssen dir zeigen, wie man reitet.« Ein großes, schwarzes Pferd stand fertig aufgezäumt in der Nähe. Ottan ging darauf zu, sprach es leise an und schwang sich dann mühelos auf seinen Rücken. Es schlug aus und tänzelte ein wenig, beruhigte sich unter Ottans erfahrener Hand aber bald.
»Siehst du? Es ist ganz einfach. Wenn es gehen soll, berührst du es so mit den Fersen und läßt die Riemen locker.« Das Pferd fiel in langsamen Trab. »So wendet man es«, rief Ottan über die Schulter zurück und drehte das Pferd durch Betätigung der Riemen geschickt um, bis es zu Jestan schaute.
Nach weiteren Erklärungen und Ermutigungen sagte Ottan: »Jetzt steigst du auf. Ich halte ihn fest.«
»Mach bitte keine Witze, Ottan. Ich möchte nicht niedergetrampelt werden, ehe wir in die Berge kommen. Ich kann jetzt auch keine gebrochenen Rippen gebrauchen.« Inzwischen hatten sich Zuschauer an-gesammelt, die meisten grinsten.
»Irgendwann mußt du anfangen, stimmt's?«
»Ja, vermutlich schon. Gut. Soll ich mich hierhin stellen?«
»Gut. Jetzt rauf!« Jestak sprang auf den Rücken des Pferdes. Das Pferd wehrte sich, aber Ottan hielt seinen Kopf fest.
»Ruhig, Gerontal, ruhig«, murmelte er und kraulte dem Pferd die Ohren. Dann zu Jestak: »Hier, nimm die Zügel!« Er reichte ihm die dünnen Riemen, die am Kopf des Pferdes befestigt waren. Jestak nahm sie, und das Pferd blieb einfach stehen.
»Bohre ihm die Fersen in den Leib. Nur ganz leicht.« Jestak berührte mit seinen Fersen den Brust-korb des Pferdes, und Gerontal fiel in Schritt, aber der unbekannte Mann auf seinem Rücken machte ihn nervös, er wieherte und warf den Kopf, dann begann er zu traben. Jestak wurde auf seinem Rücken her-umgeworfen, die Innenseite der Schenkel tat ihm weh, aber dann bäumte sich das Pferd auf, und Jestak wäre beinahe heruntergerutscht, aber er konnte sich am Pferdehals festhalten. Gerontal kam hart auf, und während Jestak noch flachlag, bockte das Pferd und warf ihn sauber in einen Dornbusch. Bis er herausge-krochen war, hatten die Shumai das Tier mit viel Ge-johle eingefangen, und Jestak wußte, daß er noch einmal aufsteigen
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