Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
für die Körnchen aufhält und ihm dann an die Kehle springt, Shaffermi.« Escripti rückte wür-devoll seine lange, blaue Robe zurecht.
»Aber das ist doch deine Aufgabe, Escripti. Dafür zu sorgen, daß sie das nicht tut, Escripti.«
»Die Situation könnte gar nicht schlimmer sein, Shaffermi. Sie ist nicht normal. Wie viele Emeri-Frauen würden ein oder zwei Gliedmaßen hergeben, um an ihrer Stelle zu sein? Aber sie verachtet ihre Position. Sie sagt, sie gehört niemandem, nur einem gewissen Jestak dem Pelbar verdanke sie ihr Leben.
Was ist ein Pelbar? Irgendein Wilder, Shaffermi?«
»Ein Pelbar? Ich glaube, ich habe von so einem Volk gehört, Escripti. Es wohnt im Osten, jenseits der großen Ebenen im Land der Bäume an dem großen Fluß, in der sich das ganze Land entleert. Ich habe gehört, daß sie Zwerge sind, die Metall in jegliche Form zaubern können, die sie haben wollen. Sie sind sehr häßlich, so häßlich, daß sie nur nachts herauskommen, und sie sind Feiglinge und leben in großen Steinwürfeln, Escripti.«
»Wer hat dir das erzählt, Shaffermi?«
»Es steht in den Berichten der Kartographen über Verhöre von Shumai-Wilden, Escripti.«
»Es hört sich an wie ein Märchen, Shaffermi.«
»Ja, das stimmt, Escripti. Aber das gilt auch für deine Geschichten, wozu Tia die Shumai fähig ist.
Aber du versicherst, daß sie wahr sind, und ich glaube es auch, Escripti.«
»Das ist richtig, Shaffermi. Angenommen, du be-stehst darauf, meine Stellung zu übernehmen. Ich bin sicher, der Krugistoran würde es gestatten, er ist so voll Ungeduld, diese herrliche Frau an sich zu drük-ken. Er hat großes Vertrauen in deine Fähigkeiten, Shaffermi.«
»Nein, Escripti, ich glaube, diese Stellung ist deinen Fähigkeiten durchaus angemessen, Escripti«, sagte der andere und verließ ihn mit einem trockenen Lachen.
Escripti ging weiter, den Korridor hinunter, dann nach rechts durch eine Reihe von Bogengängen, bis er an eine große, geschnitzte Eichentür kam, die von Wachen in weiten, ausgestellten blauen Hosen, polierten Harnischen und mit langen Schwertern flan-kiert wurde. Als er näherkam, öffneten sie ihm die Türen und schlossen sie hinter ihm wieder. Der Boden dahinter bestand aus polierten, versetzt ange-ordneten, schwarzen und weißen quadratischen Steinfliesen. Auf den Quadraten stand eine Gruppe von Frauen, und der Krugistoran dirigierte sie von einem Diwan aus so, daß sie sich nach den Berech-nungen eines Spiels bewegten, das er mit einem gro-
ßen, sehr dünnen Mann spielte. Als Escripti näherkam, lachte der Krugistoran kehlig und rief: »Nun, Acco, eins nach oben und zwei da hinüber, Acco. So, und jetzt habe ich dich geschlagen, wie immer, Prestiginagi.«
»Ja, Krugistoran. Wie immer, Krugistoran«, sagte Prestiginagi, verbeugte sich tief und trat beiseite.
Escripti ließ sich auf die Knie nieder und rutschte, die Hände auf dem Rücken, nach vorne.
»Neige dich, Escripti!« brüllte der Krugistoran. Der Diener kroch nun mit der Nase am Boden vorwärts.
»Acco, komm her! Acco! Schau, da ist dein Lehrer!
Stell ihm den Fuß auf den Nacken, Acco!« Sie tat es mit offensichtlichem Vergnügen. Escripti grunzte unter dem Druck. »Da, Escripti. Was hältst du davon, wie du sie ausgebildet hast? Ist sie nicht gehorsam?
Ha, ha! Laß mich jetzt deinen Bericht über Tia, die neue Wilde, hören. Ist sie bald bereit für mein Bett?«
»Darf ich aufsehen, Krugistoran?«
»Natürlich, du Narr. Laß ihn jetzt los, Acco!« Sie gab ihn frei und trat zurück. Sie war ein massiges Mädchen mit herabhängenden Lidern. Nach ihrer hellen Haut-und Haarfarbe zu urteilen, hatte sie offenbar Shumaiblut in den Adern, aber ihr Leben hatte den wilden Geist jetzt so ausgelöscht, daß sie wie eine angemalte Puppe wirkte.
Escripti blickte auf. Der Krugistoran betrachtete ihn mürrisch. Escripti sah einen Mann von gewaltigen Ausmaßen, dessen nackter Bauch die rote Liege stark durchhängen ließ und der darüberhing wie ein Schlauch voll Apfelwein. Um seine Arme lagen breite Goldbänder mit feinen Ziselierungen, die sich in das schwellende Fleisch eindrückten. Er war fast kahl, aber die Haare, die er noch hatte, waren tiefschwarz und gelockt, genauso schwarz wie seine schweren Brauen. Seine Unterlippe hing herab und war etwas feucht von Speichel. An allen seinen dicken Fingern saßen schwere Ringe mit großen Steinen in verschiedenen, nicht harmonierenden Farben. Seine Füße waren nackt, und an den großen
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