Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
der Garde abhängig. Aber sie darf nicht von der Garde beherrscht werden. Wenn wir wachsen, was wir ja müssen, muß es Grenzen geben, so wie ihr dem Rat mit eurer Bittschrift Grenzen gesetzt habt.«
»Aber Protektorin«, sagte der Hauptmann der inneren Garde.
»Ja?«
»Protektorin, die Garde wird aus jeder Familie in Nordwall gestellt. Wir sind keine separate oder elitä-
re Gruppe. Unsere Meinung ist ein Spiegelbild der Meinung aller. Und wir haben nicht mehr erzwungen als Brin, die sich gegen das normale, gesetzliche Vorgehen stellte – was du nicht getan hast, als du dein Amt verloren hast.«
»Ja. Das meinte ich, als ich sagte ›wenn wir wachsen‹. Wir können uns keine separate Gruppe mit eigenen Interessen leisten. Darüber müssen wir sehr sorgfältig nachdenken. Ich glaube, ich kann der Protektorin nicht soviel Macht zugestehen, wie sie, was Brin uns gezeigt hat, in Wirklichkeit besitzt. Ich habe da unten in meinem feuchten Zimmer nachgedacht und erkannt, daß auch ich zuviel Macht ausgeübt ha-be, obwohl ich das erst einsah, als Brin diese Macht in einer Weise gebrauchte, die mir falsch erschien.«
»Aber Protektorin«, sagte der Hauptmann der inneren Garde wieder.
»Ja, Appro.«
»Unsere Verteidigung verlangt, Protektorin, daß Entscheidungen schnell getroffen werden. Man kann nicht alles an den Rat verweisen.«
»Richtig, Appro. Aber viele dieser Entscheidungen betreffen die Verteidigung nur sehr indirekt. Es sind wirtschaftliche Fragen. Ich glaube, wenn wir unser früheres Gleichgewicht wiedererlangt haben, müssen wir ein besonderes Gremium einberufen, das diese Angelegenheiten gründlich studiert.«
»Wirst du Pelbarigan um Rat fragen, Protektorin, ehe du unsere Regierung änderst?« fragte die Osträ-
tin.
»Ich sehe keine Notwendigkeit dazu. Pelbarigan hat sich selbst vom ursprünglichen Modell wegent-wickelt und steckt tief im Parteienklüngel. Vielleicht hilft ihm unser Vorbild, zur Harmonie der Pelbar zu-rückzufinden. Und jetzt haben wir zu tun. Bitte vergeßt nicht, daß Brin alle Höflichkeit zuteil werden soll, und ihren Anhängern, zu denen wohl auch einige von euch gehören, ebenfalls. Und nun müssen wir uns vertagen.« Alle erhoben sich unter Stimmengemurmel, und der Raum leerte sich langsam, bis auf Brin von Brunag und Sima Pall. Sie sahen einander schweigend an. Schließlich sagte die Protektorin: »Wie wollen in Liebe auseinandergehen, Brin.«
»Das kannst du sagen, weil du gesiegt hast«, gab Brin zurück.
»Protektorin.«
»Wenn es sein muß, Protektorin.«
Esis war ein Farmer, der sein ganzes Leben in Ilet verbracht hatte. Er liebte besonders die Pferde und hatte es immer genossen, in der schneidenden Mor-genkälte auszureiten, besonders im Vorfrühling, wenn die Schwärme der Kiebitze hoch oben nach Norden zogen und ihre scharfen Schreie durch die klare Luft herunterschickten. Seit der Krugistoran die Sklavenpolitik eingeführt hatte, war alles bei weitem nicht mehr so schön. Seit fast fünfzehn Jahren hatte Ilet jetzt einige Monate im Jahr Sklaven, und immer hing ein Hauch von Angst und Gefahr in der Luft.
Esis unterdrückte auch nicht gerne Menschen, und die Shumai, streitsüchtige und widerwillige Arbeiter, mußten schikaniert werden, wenn sie schwer genug arbeiten sollten, um sich ihr karges Essen und die ärmliche Kleidung zu verdienen. Insgeheim mochte er sie. Sie teilten seine Liebe zur Freiheit, und im Innern war er wegen ihrer Lage betrübt. Das ging vielen Farmern so. Aber nachdem der Krugistoran jetzt Wachen stationiert hatte, war selbst das kamerad-schaftliche Verhältnis, das er mit den Shumai annä-
hernd hatte erreichen können, kaum noch möglich. Er kannte einige von ihnen, aber unter den harten Bedingungen der Farmsklaverei lebten sie nicht lange.
Das heißt, keiner bis auf Veel.
Wie Esis war auch Veel schon ziemlich alt. Er war von sanftem Wesen, und Esis hatte bei sich beschlossen, daß er wenigstens diesen Mann in seine Obhut nehmen wollte. Es war ihm gelungen, und Veel war nun, mit Unterbrechungen, denn die Sklaven wurden herumgereicht, seit fast sieben Jahren in Ilet. Er begriff sehr gut, daß Esis ihn begünstigte, und er vergalt dies durch verschiedene Gefälligkeiten und tat, was er konnte, um eine Bindung zwischen dem weißhaarigen Farmer und den Herdenjägern herzustellen, von denen einige Esis getötet hätten, wenn er in Reichweite einer Schaufel oder einer Hacke gekommen wäre.
Es war nach Einbruch der Dunkelheit. Die Shumai
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