Pelbar 2 Die Enden des Kreises
auf sie zugegangen und hatte gesagt: »Bist du Ahroe Dahmen? Hier.« Und damit war er verlegen weggegangen.
Bara hatte Garet gebracht, der gerade aufwachte.
»Hat er es versucht? Hätte er, wenn er hier wäre, Mitleid gehabt mit einer fremden, jungen Frau mit einem Baby und ohne Mann in Sicht?«
»Ja, natürlich. Aber er hätte sie nicht niederge-schlagen.«
»Wenigstens sein Mitleid ist wie das von Quen.
Dessen Mitleid hat sich in Liebe verwandelt. Ich habe versucht ihm zu sagen, er solle dich in Ruhe lassen, aber er glaubte einen Weg zu sehen, wie er dir helfen könnte – indem er dir etwas von sich abgab.«
»Das hört sich ganz anders an als das, was passiert ist.«
»Richtig. Aber daran warst du auch beteiligt. Und wir fürchten das Gewitter, dessen Regen das Gras grün werden läßt. Jetzt muß ich kochen. Du wirst ein schönes, blaues Auge bekommen. Aber das heilt wieder. Es tut mir leid, Ahroe. Aber es wird sich alles beruhigen. Nach dem schlimmsten Wind wird der Fluß glatt und klar.« Bara legte die Arme um die jüngere Frau und streichelte sie, dann stand sie auf und ging hinaus. An der Tür drehte sie sich um und sagte: »Es tut mir leid, Ahroe, aber ich habe über das, was ich dir gesagt habe, lange nachgedacht. Du bist nicht bei den Pelbar. Geh vorsichtig, wenn du einen schwab-beligen Sumpf überquerst. Reden ist auch eine Methode, um etwas zu erreichen. Man muß nicht immer kämpfen.
Noch etwas. Ich weiß, daß du glaubst, uns Frauen hier ginge es schlecht, wegen all des Schmutzes und der Arbeit, aber vergiß nicht, daß es für die Männer auch nicht so lustig ist, wenn sie fast den ganzen Tag im eiskalten Regen auf einem Jagdposten stehen, und die Rinder schwenken einen Ayas vor ihnen ab und kommen nie dorthin. Sie müssen es tun, und die Zä-
hen überleben es. Dein Stel hatte andere Fähigkeiten und andere Bedürfnisse, und du konntest ihn anders behandeln.«
»Ich habe nie ...«, begann Ahroe, aber Bara war wieder hinausgegangen. Da legte sie sich zurück und stillte Garet, der gierig und lange trank. Ahroe beobachtete ihn träumerisch durch das eine, offene Auge.
Hagen trat ein, kam zu ihr und kniete neben ihr nieder. Als er ihr Gesicht sah, zeigten sich Schreck und Zorn in seinem.
Ahroe legte ihm die Hand auf den Arm. »Nein. Tu nichts! Es war meine Schuld, daß es soweit gekommen ist.«
»Er hatte kein Recht ...«
»Bitte, laß es! Ich möchte nicht, daß du verletzt wirst. Auch ich habe einiges zu lernen. Ich habe an Stel gedacht. Wenn ich damals gewußt hätte, was Quen mir eben beigebracht hat, wäre ich jetzt vielleicht mit ihm zu Hause oder in Nordwall.«
»Trotzdem, er ...«
»Nein, Hagen. Bitte! Schau, was Ral und Bara für mich getan haben. Und du. Quens Fleisch habe ich gegessen. Für ihn habe ich nie etwas getan. Er ist wirklich grob, nicht wahr? Ich bin froh, daß Assek nicht so stark und schnell war. Und jetzt laß mich bitte über alles nachdenken und sei still!«
Aber Hagen blieb sitzen, immer noch wütend und bestürzt. Ral kam herein, kniete an ihrer anderen Seite nieder, schaute ihr ins Gesicht und stieß einen langen, leisen Pfiff aus. »Na, Ahroe, das sieht ja so aus, als wärst du einer Axt in die Quere gekommen.«
»Ich glaube, das bin ich auch.«
»Und stumpf war die auch noch.«
»Für mich war sie zu scharf.«
»Sind deine Zähne in Ordnung?«
»Ja. Alle da.«
»Und die Nase? Ist das eine Prellung? Oder ist sie gebrochen?«
»Nur eine Prellung.«
»Er ist ein grober Bursche, nicht? Aber diesmal ist er zu weit gegangen. Eine Todesfalle löst man nur mit einer leichten Berührung aus, aber dann kommt das ganze Gewicht heruntergekracht.« Er setzte sich einen Augenblick lang, dann beugte er sich vor und küßte sie flüchtig auf die Stirn. »Ich muß noch drei Kühe melken. Hörst du sie da draußen? Sie sagen, ich habe sie vernachlässigt. Wann wirst du mir melken helfen, Ahroe? Ach, du wirst ja selbst noch gemolken, nicht wahr?« Aber er war schon auf dem Weg nach draußen und wartete nicht auf eine Antwort.
Einen halben Monat später machten sich Ahroe und Hagen wieder auf den Weg. Ahroes Auge hatte sich gebessert bis auf einen kleinen, roten Bogen im Weißen, und ihre Nase hatte die schöne, schmale Form wiedererlangt. Das ganze Lager verabschiedete sich von den beiden und sah ihnen nach, bis sie den Hügel hinauf waren. Bara rief: »Hoffentlich wißt ihr, was ihr tut. Kommt zurück, wann immer ihr wollt.
Wenn ihr Stel findet, bringt ihn
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