Pelbar 4 Der Fall der Muschel
Art.«
»Craydor?«
»Sie hat Threerivers vor Hunderten von Jahren geplant. Sie hat Maßstäbe gesetzt, an denen wir immer noch festzuhalten suchen. In Threerivers bemüht man sich immer, alles gut zu machen. Etwas davon sehe ich auch bei Jaiyan und seiner Orgel. Für das Instrument ist ihm keine Mühe zuviel. Aber alles andere hier ist nichts als ein Schuppen – oder ein Haufen von Schuppen, die sich gegeneinander lehnen, fast wie die, auf denen wir Fische trocknen.«
»Jetzt ist es also nicht mehr gut – in Threerivers?
Was ist los?«
Gamwyn spürte, wie seine natürliche Pelbarab-wehr hochging. Nur selten erzählten die Pelbar anderen von sich selbst. Diese Gewohnheit war ein Überbleibsel aus der alten Zeit der Feindseligkeiten, als solches Schweigen noch zum Schutz diente. »Oh, ich hoffe, das geht vorbei. Die älteren Leute, besonders die Frauen möchten, daß die Welt stehenbleibt. Mit der Wahl der neuen Protektorin sind alle die alten Ansichten hochgekommen, und jetzt haben sie die Stadt so unter Kontrolle, wie es vor dem großen Frieden war, aber etwas fehlt doch. Sie hören nicht zu. Sie können nur reden, reden, reden. Das ist alles.«
»Wird die Stadt also schwächer?«
»Schwächer?« Gamwyn setzte sich auf und schaute Misque an. »Du bist eine Peshtak«, flüsterte er. Ihr Gesicht wurde hart, und ganz kurz loderte Haß darin auf. Er hob die Hände an sein Gesicht. »Wirst du ihnen weh tun? Du wirst nicht zulassen, daß sie Jaiyan und den anderen weh tun, nicht wahr?« Misque rollte sich zur Seite und wollte aufstehen, aber Gamwyn hielt sie zurück.
»Laß mich los!« zischte sie. »Sie werden dir niemals glauben. Versuche es nur! Du ...«
Gamwyn küßte sie, wie sie ihn geküßt hatte, er drückte seinen Mund fest an den ihren und fragte sich dabei: Warum? Warum tue ich das? Es ist verrückt. Sie ist eine Peshtak.
Endlich zog sie ihr Gesicht weg und keuchte: »Ich verstehe dich nicht. Was du tust, ergibt überhaupt keinen Sinn.«
»Ich werde dich nicht verraten. Schau, Misque, Jaiyan ist für mich nicht anders als eine Pelbarfrau.
Für ihn bin ich nur ein Werkzeug. Er schärft mich, gebraucht mich, und wenn ich abgenützt bin, wird er mich wegwerfen. Schau mich an! Ich bin immer noch bis auf die Knochen durchgefroren. Du hast mir auf dem Fluß das Leben gerettet. Ich stehe in deiner Schuld. Ich werde nichts verraten. Aber du kannst nicht zulassen, daß man ihnen weh tut.«
Sie setzte sich neben ihn, mit einem abwesenden, verstörten Ausdruck in den Augen. »Nichts ist so gekommen, wie erwartet«, sagte sie träumerisch.
»Vielleicht ist es besser so. Aber jetzt mußt du mir helfen, daß ich flußabwärts fahren kann, dadurch bist du nämlich sicher, daß ich dein Geheimnis niemals preisgeben werde.«
»Die Tusco werden dich verletzen oder zum Sklaven machen.«
»Das wäre nicht anders, wenn ich hierbliebe, nicht wahr? Dann würden deine Leute kommen.«
»Nicht, wenn sie sich nach Norden wenden.«
»Nach Threerivers? Das wird ihnen nichts nützen.
Sie kämen nie nach Threerivers hinein. Und wenn, würden sie nur sterben. Warum Misque? Warum bleibt ihr Peshtak nicht einfach in den östlichen Bergen?«
»Die Innaniganis und die anderen treiben uns heraus.«
»Warum?«
»Sie wollen die Kohle in den Bergen. Und sie haben Angst vor der Seuche.«
»Die Seuche – die, bei der einem das Gesicht weg-fault? Hast du sie?«
Sie schaute ihn erschrocken an. »Ich ... ich glaube nicht. Es ist noch zu früh. Sie kommt erst später.« Sie fing an zu zittern und biß sich auf die Lippen.
»Was ist es?«
»Wer weiß? Wir hatten sie immer. Länger als irgend jemand sich erinnern kann.«
»Warum schickt ihr nicht jemanden, der sie hat, nach Pelbarigan? Wir haben dort einen Arzt mit den Kenntnissen der Alten. Er ist jetzt ein alter Mann.
Aber vielleicht könnte er ein Heilmittel finden, dann könntet ihr alle davon befreit werden.«
Misque lachte übermütig, beinahe hysterisch. »Wer würde so etwas für einen Peshtak tun?«
»Ein Pelbar. Sie würden hoffen, eure Freundschaft zu gewinnen und euch den Völkern des Heart-Flusses anzugliedern. Dann könnten wir ungehindert nach Osten reisen und mit den Städten im Osten Handel treiben.«
Misque saß lange Zeit schweigend da, während das Feuer zischte. Endlich blickte sie zu Boden und sagte: »Das würde alles nicht funktionieren. Immer waren alle gegen uns und haben uns gehaßt.«
»Ihr ermordet alle, denen ihr begegnet – sogar Frauen und
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