Pelbar 4 Der Fall der Muschel
das vom Ufer ins Wasser glitt und verschwand. Reo schauderte und runzelte die Stirn.
Überall schien es Schwärme von weißen Wasser-vögeln zu geben, sie stiegen von den Untiefen auf, flogen in strahlend zarter Durchsichtigkeit, mit vor-gereckten, gelben Schnäbeln, die schwarzen Beine nach hinten gestreckt, über sie hin.
Die drei ließen sich Zeit, angelten und trieben weiter. Mit seinem Klappmesser machte Gamwyn einen Bogen, und es gelang ihm, ein paar Pfeile zu schneiden und sie sogar zu fiedern, obwohl er darin wenig Übung hatte.
Obwohl der Fluß weiterhin eine Fahrrinne hatte, war er immer mehr von schlammigen Inseln und Sümpfen durchzogen, schien sich zu einem Labyrinth verwirrender Seitenläufe und toter Arme zu zerfa-sern. Mehr als einmal mußten sie umkehren und wieder nach dem Hauptarm suchen. Schließlich schien es überhaupt keine Strömung mehr zu geben.
Sie bewegten sich durch ein Labyrinth von Wasser, Bäumen, Ranken, Hügelchen und gelegentlich Flä-
chen bewachsenen Sumpflandes. Schlangen glitten im Wasser und hingen von Ranken und Bäumen.
Moskitos sirrten und stachen sie ständig, und die drei wurden gereizt und ängstlich. Reo wünschte, er hätte Murkal nie verlassen.
Als sie eines Tages wieder nach der Hauptfahrrin-ne suchten, hörten sie einen Schrei. Sie schauten sich um und sahen drei schlanke Boote weit oben in einem anderen Seitenarm. Ein Mann winkte mit einem Ruder. Die drei paddelten wie rasend und schossen auf eine nahegelegene Biegung zu, in der Hoffnung, im dahinterliegenden Sumpf verschwinden zu können.
Ein Boot begann ihnen zu folgen und holte schnell auf. Sie hörten schwache Rufe. Es klang wie: »Kommt zurück! Kommt zurück! Nicht dorthin!«
Sie erreichten die überschwemmten Bäume und fuhren dazwischen durch, drehten und duckten sich, bis sie sich endlich in Sicherheit fühlten. Gamwyn lenkte das Boot keuchend und schwitzend gegen eine vorstehende Wurzel. Aber als er das Ruder sanft niederlegte, glitt das Boot, das sie verfolgt hatte, langsam quer vor seinem Bug vorbei. Fünf Männer saßen darin, dunkelhäutig mit dichtem, schwarzem Kraus-haar und breiten Nasen. Einer stand und hielt lässig einen Fischspeer in der Hand.
Er grinste. »Na, Kinder«, sagte er. »Wo wollt ihr denn hin?« Er hob die Hand, als Gamwyn nach seinem Bogen griff. »Nein. Nichts da. Ihr seid im Gebiet des Südozeans. In unserem Gebiet. Aber das macht wirklich nichts. Land gibt's genug. Wir wollten euch nur abfangen, ehe ihr in den toten Flächen gelandet wärt.«
»Tote Flächen?« fragte Artess.
»Alles vergiftet. Dort gibt es nichts. Ist nicht gut, wenn man da hinfährt. Der Fluß geht hindurch. Wenigstens ein Teil davon. Wo wollt ihr denn hin?«
»Zum Südozean«, sagte Gamwyn. »Um eine Muschel zu suchen.«
»Was für eine Muschel?«
Gamwyn beschrieb sie ausführlich. Die Männer runzelten die Stirn. »So 'ne Muschel kenn' ich nicht«, sagte einer.
»Ihr fahrt am besten nach Osten, nach Sagol«, sagte ein anderer. »Da gibt's 'ne Menge Muscheln.«
»Sagol?« meinte wieder ein anderer. »Wie soll'n sie da je hinkommen?«
»Wie weit ist es?« fragte Gamwyn.
»Ungefähr hundertfünfzig Kiloms, hauptsächlich offene See. Aber ihr könntet dem Inselbogen außerhalb der leeren Bucht folgen. Das wär' zu machen.«
»Wenigstens, solang kein großer Sturm kommt«, sagte ein Mann.
»Zu früh. Die kommen jetzt noch nicht. Zu früh«, bemerkte ein anderer.
»Habt ihr ein Segel?«
»Nein«, sagte Gamwyn. »Nur Ruder.«
»Ihr kommt am besten mit uns«, sagte der stehende Mann. »Ich heiße Samme.« Er streckte die Hand aus, und die drei drückten sie der Reihe nach. Dann wendete das schmale Boot und fuhr ihnen voran durch das Labyrinth von Seitenarmen wieder hinaus ins freie Wasser, dann nach Norden, wo ihnen die schwarzen Männer zum erstenmal begegnet waren.
Sie fanden eine Siedlung mit sechzehn der schmalen Boote und etwa vierzig Menschen; alle lebten in Familien und in Häusern, die auf Stelzen gebaut waren, bei einigen bildeten lebendige Bäume einen Teil der Stützen.
Bald waren die drei mitten in einer Konferenz, die kaum mehr als ein regelloser Streit zu sein schien, die aber zu mehreren schnellen Entscheidungen führte.
Gamwyn sollte das Boot zurücklassen. Er, Reo, Artess und sieben weitere würden die Sümpfe in zwei Booten durchqueren – wenn nötig, würden sie die Boote tragen – nach Osten zum offenen Meer, als Bezahlung für das Boot würde man sie nach Sagol
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