Pelbar 5 Ein Hinterhalt der Schatten
hatte – noch nicht. Aber sie war auf die frem-den, strudelnden Gewässer der Föderationskonferenz hinausgestoßen worden und hatte bei dem Sentani-Abgeordneten von den Langen Seen Hilfe gefunden.
Er hatte sie dabei unterstützt, eine Verfahrensweise auszuarbeiten, eine Geschäftsordnung, und im Verlauf dieser Arbeit hatte sie ihre Zuneigung auf ihn übertragen. Jedenfalls sah es so aus.
»Wir warten auf eine Antwort, Protektorin«, sagte Sobri. »Gibt es eine? Die Frage ist doch sicher sachlich.«
Sagan seufzte. »Ich bin mir bewußt, daß sich meine Schwiegertochter anormal benimmt, was ihr ja sicher alle wißt. Ich weiß auch, daß sie von allen Pelbar-Frauen bei weitem am meisten herumgekommen ist und die größte Erfahrung besitzt. Ihre Fähigkeiten im Verwaltungsbereich sind ausgeprägt. Sie genießt Sympathien bei den Shumai und Sentani und ...«
»Ach ja, bei den Sentani ganz sicher«, warf Sobri ein.
»Hast du mit mir gesprochen, Sobri?«
»O nein, Protektorin. Ich habe nur eine allgemeine Bemerkung gemacht.«
»Und du bist der Meinung, daß diese Bemerkung in Ordnung war?«
»Nein, Protektorin, und ich möchte mich dafür entschuldigen, aber du mußt zugeben, daß Gerechtigkeit darin lag.«
»Keine Ordnung, aber Gerechtigkeit, Sobri? Wenn das deine Ansicht ist, wo bleibt dann dein Argument?«
»Keine Haarspaltereien, Protektorin. Wir wissen alle, wovon wir sprechen.«
»Protektorin«, sagte Alance, eine gemäßigte Abgeordnete. »Wenn du fertig bist, möchte ich gerne eine Erklärung abgeben.«
Die Protektorin zuckte die Achseln. »Ihr kennt alle die einzelnen Punkte, die ich vorbringen würde. Sie wurden oft genug dargelegt. Du kannst gerne das Wort haben, Alance.« Sagan fragte sich, was dabei herauskommen würde.
»Kann ich dich vorher unter vier Augen sprechen?«
Sagan war schockiert. Sie blickte sich im Raum um.
Schweigende Gesichter sah sie, viele ernste und einige unfreundliche. »Gut, wenn der Rat einverstanden ist. Können wir eine Pause von sechs Sonnenbreiten einlegen?« Sie erhob sich und zog sich aus dem Gerichtssaal in den darunterliegenden Raum der Protektorin zurück. Alance folgte ihr, blieb vor Sagan stehen und sah sie, die Hände vor der Brust gefaltet, an.
»Nun, Alance, worum geht es?«
»Protektorin, ich fürchte, wenn du alles so weiter-laufen läßt wie bisher, könnte Sobri gewinnen. Wenn sie gewinnt, gewinnt sie alles. Möglicherweise ziehen wir uns dann völlig von der Konferenz zurück.«
»Das darf nicht sein.«
»Es könnte aber sein, ob du es wünschst oder nicht, Protektorin. Ich will dir die Wahl zwischen mehreren Anträgen lassen, die ich zu stellen gedenke. Keiner davon wird dir gefallen. Aber ich werde den stellen, den du wählst, und hoffe, noch etwas zu retten. Die Sache mit Ahroe hat die Leute tief erregt.«
»Was kann ich wählen?«
»Daß Ahroe ihres Postens als Chefabgeordnete enthoben und durch Jestak ersetzt wird, der zwar ein Mann ist, aber bei den Außenstämmen große Achtung genießt. Oder, daß du in einer offenen Wahl noch einmal als Protektorin kandidierst. Oder, daß wir den Vorgängen in Threerivers unsere Unterstützung entziehen.«
Sagan überlegte. »Du hast also vor, einen dieser Anträge zu stellen?«
»Ja. Das sind deine Möglichkeiten, soweit ich es se-he. Ich glaube, die erste von den dreien schadet dir und Pelbarigan am wenigsten. Es gibt eine, wenn auch nicht große Chance, daß Sobri selbst Protektorin wird, wenn du deinen gegenwärtigen Kurs weiter-verfolgst. Wenn du die Konservativen auf diesem Gebiet nicht respektierst, mußt du ihnen vielleicht auf allen anderen Gebieten weichen.«
»Ich verstehe. Geschieht das alles aus Achtung vor Stel? Meinem Sohn?«
»Die meisten von uns sind verheiratet, Protektorin.
Die Entrüstung darüber, daß du eine Frau unterstützt, die deinen eigenen Sohn verrät, ist weit verbreitet. Ich habe den Verdacht, daß wir von Stel viel mehr halten als du, aber es ist durchaus möglich, daß du dich bemühst, die ganze Sache nur mit Blick auf das Wohl der Gemeinschaft zu sehen, und dabei deinen Sohn opferst.«
»Würde es meinem Sohn etwas nützen, wenn ich Ahroe tadelte?«
»Wenn du ihr Verhalten billigst, nützt du ihm bestimmt nicht. Aber selbst wenn wir Stel beiseite lassen, spiegelt das unser Verhalten zueinander in den Augen anderer wider. Wenn Stel auch ein Mann ist, so war er doch treu und verdient es einfach nicht, auf diese Weise abgeschoben zu werden.«
»Ich verstehe. Danke,
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