Pelbar 5 Ein Hinterhalt der Schatten
alles hier überstehen, müssen wir, glaube ich, gemeinsam viel lernen. Viel.«
ZWÖLF
Im Konferenzsaal in Threerivers schwebten die Staubflusen. Ahroe führte noch den Vorsitz, während ein Abgeordneter der Atherer die Doppelfunktion von deren Föderationssystem beschrieb. Späte Sonnenstrahlen fielen durch die langen Fenster. Ahroe sah, wie Aintre in den Raum schlüpfte und sich hinten hinsetzte. Sie fing den Blick der jungen Gardistin auf, aber Aintre schenkte ihr kein Lächeln des Erkennens.
Ahroe hörte nicht mehr viel von der Rede, so wichtig sie auch war, und führte den Vorsitz bei der folgenden Diskussion nur mit starker Willensan-strengung. Endlich klopften die Sentani-Offiziere mit ihren Schwertgriffen auf den Boden, um für diesen Tag die Sitzungspause zu verkünden, und die Abgeordneten standen auf, streckten sich, plauderten miteinander und verließen den holzgetäfelten Saal. Aintre blieb hinten sitzen und Ahroe vorne an ihrem Pult. Desdaan wollte gehen, zögerte dann an der Tür und schlenderte wieder zurück. Als die Abgeordneten draußen waren, trat auch Garet ein.
»Aintre, du bist gekommen«, sagte Ahroe.
»Die Protektorin wollte es, Leiterin der Garde.«
»Aha. Du hast also keine neuen Nachrichten?«
»Nur die, die ich schon kannte, als du den Funkspruch erhalten hast.«
»Was war dann die Absicht der Protektorin?«
»Darüber wage ich nichts zu sagen, Leiterin der Garde. Sie hat mich gebeten, dir Stels Flöte zu bringen, sie dachte vielleicht, du möchtest sie haben.
Wenn nicht, bringe ich sie gerne nach Pelbarigan zu-rück.«
»Stels Flöte?« Ahroe streckte die Hand aus, und Aintre erhob sich und brachte sie ihr nach vorne.
»Man fand sie am Morgen nach seinem Aufbruch nahe der Küste im Wasser treibend, Leiterin der Garde.«
»Setz dich bitte, Aintre! Du mußt mir alles erzählen, was du weißt.«
»Ich glaube, ich habe schon alles erzählt, Leiterin der Garde. Vielleicht sollte ich noch betonen, was vielleicht in der Botschaft an dich nicht erwähnt wurde: daß im wesentlichen Stel mit seiner über Funk ausgelösten Explosion den ersten Angriff der Tantal beendete. Ohne dies hätten wir viel mehr Leute verloren. Wir hätten vielleicht alle verloren – oder wenigstens so viele, daß auch die ›Pusterich‹ verloren gewesen wäre.«
»Die ›Pusterich‹?«
»Die ›Tatkraft‹. Stel hat das Boot so genannt.«
»Ach so. Ja.« Ahroe hörte auf, die Flöte in den Händen hin-und herzudrehen und legte sie auf den vorderen Tisch. »Die hat er auf dem Weg nach Westen gemacht. Er hat sie sogar unabsichtlich einem riesigen Mannsbild namens Boldar ins Auge gesto-
ßen, um mich zu retten. Obwohl er damals gar nicht wußte, daß ich es war. Das war in der Stadt Cull.«
Ahroes Stimme klang geistesabwesend und versonnen. »Seltsam. Jetzt sind die Pendler hier bei uns – von so weit her. Und sie vertreten auch die Ursprünglichen von Cull, die damals ihre Feinde waren.
Alles scheint sich zu verändern und neu zu ordnen.«
»Manches, Leiterin der Garde.«
»So. Und was nicht, Aintre?«
»Das ist schwer zu sagen. Bei manchen Menschen Teile des Charakters. Stels Zuneigung zu Raydi zum Beispiel.«
»Aber nicht zu mir, meinst du?«
»Das zu sagen kommt mir nicht zu, Leiterin der Garde. Ich habe vor unserer Reise nie so sehr auf ihn geachtet. Aber die kurze Zeit mit ihm werde ich nie vergessen. Er hat etwas an sich ...«
»Etwas?«
Desdaan war in den vorderen Teil des Raums ge-schlendert, nahm jetzt Stels Flöte in die Hand und betrachtete sie.
»Für dich habe ich sie nicht hergebracht, Sentani, sondern für die Leiterin der Garde«, sagte Aintre mit ruhiger, aber unheildrohender Stimme.
»Das muß wohl Ahroe bestimmen«, entgegnete Desdaan lächelnd.
Aintre stand plötzlich auf. »Ja, sie würde sie dir geben, nicht wahr? Dann nimm sie doch! Spiel für sie darauf! Ich bin sicher, sie wäre entzückt.« Aintre drehte sich auf dem Absatz um und ging mit schnellen Schritten den Mittelgang des Saales hinunter.
Ahroe erhob sich. »Ich habe dich noch nicht entlassen, Gardistin.« Aintre schenkte ihr keine Beachtung, sondern ging weiter. Garet versperrte die Türöffnung.
»Die Leiterin der Garde hat dir einen Befehl gegeben«, sagte er.
Aintre duckte sich, ergriff seinen Arm und wollte ihn werfen, aber er war schneller, drehte ihr den Arm hinter den Rücken und packte sie von hinten an den Haaren.
Aintre kreischte. »Du bist der letzte Abschaum.
Deine Mutter lebt mit diesem
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