Pelbar 6 Das Lied der Axt
wissen, was sie tut. Ich hätte ihr so leicht geben können, was ihr fehlte, es ... hat mich einfach darin bestärkt, meine Bestimmung zu erkennen. Weißt du, ich bin zufrieden damit.«
»Deine Bestimmung! Aber nicht die meine.«
»Nein. Meine Bestimmung. Deine Erziehung.
Schließlich sollte etwas mit dir geschehen, ehe du in das gesetzte, mittlere Alter kommst.«
»Aber das! Das alles! Wir sind am anderen Ende von ganz Urstadge. Du bist unerträglich. Ich kann das nicht glauben.«
»Das ist ja so sonderbar daran. Wir sind am anderen Ende von ganz Urstadge, nur um zu entdecken, daß es gar kein Ende ist. Es ist der Anfang von etwas anderem – oder von wieder dem gleichen. Der Name ist willkürlich.«
Tristal schaute ihn gequält und ungläubig an und weigerte sich, noch etwas zu sagen.
Als es dämmerte, erwachte er und hörte Tor sagen: »Da ist einer. Noch einer. Schau! Ganz nahe!« Er rannte davon. Tristal hörte das Boot auf den Steinen knirschen, als er es abstieß und sein Bündel hineinwarf. Er sah Tor nach, wie der schnell geradewegs auf
* Siehe »Die Kuppel im Walde«, dritter Roman des Pelbar-Zyklus, HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY, Band 06/4153.
den nächsten Wal zuruderte, einen großen, bei dem die Barten zu sehen waren, als er aus dem Wasser heraufrollte. Einen Augenblick lang schien Tor direkt auf ihm zu sein, er stieß einen wilden Shumai-Schrei aus, als der Schwanz hochging, genau über ihm zu hängen schien und dann nach unten glitt, als er die Hand ausstreckte, um ihn zu berühren. Dann verblaßte die ganze Szene zu treibendem Nebel.
Tristal rief nach Tor, wartete auf eine Antwort, die nicht kam. Er rief wieder, stand lange Zeit am Ufer.
Endlich drehte er sich um, stieg wieder auf den Felsen und sah erst jetzt sein eigenes Bündel und, daraus hervorragend, den Griff von Tors Axt.
Einen Augenblick lang war er verwirrt. Er nahm die Axt in die Hand. Die Scheide war dabei, poliert und bearbeitet. Warum hatte Tor sie zurückgelassen?
In seinem Bündel? Dann begriff Tristal – Tor war oh-ne ihn weggefahren, hatte ihn verlassen. Auf einer Insel. Er sollte alleine nach Hause zurückkehren. Tor wollte weiter. Tristal schlug im Zorn mit der Faust auf den Felsen, dann nahm er die Axt und schleuderte sie weit hinaus in die Luft, begriff aber, noch ehe sie wieder herunterkam, daß er sie brauchen würde, um sich ein Boot zu bauen und rannte los, um zu sehen, wo sie hinfiel. Er sah sie ins dunkle Wasser stürzen.
Einen großen Teil des Tages verbrachte er damit, nach ihr zu tauchen, endlich erwischte er die Scheide mit einem Haken. Vor Kälte zitternd brachte er sie hinauf an das große Feuer, das er angezündet hatte.
Er trocknete sich und die Axt in der Wärme, dann legte er sich erschöpft und verzweifelt nieder. Das war es also. Seine Erziehung. ›Geh nach Hause, Tristal. Ich habe dich herausgeführt. Jetzt finde allein nach Hause. Dann bist du würdig für etwas, das du, wie ich glaube, wissen müßtest, auch wenn du es noch so wenig spürst.‹
Nun, da war nichts zu machen. Er mußte es tun. Er ging daran, sich nach einer Zeder umzusehen, um sie zu einem Boot zu behauen.
VIERUNDZWANZIG
Tristals Boot war klein, und er hatte es in aller Eile gebaut, weil er fortwollte. Es leckte. Am vierten Tag riß zwischen Inseln, bei bewegter See eine Fuge auf, und das Wasser drang schnell ein. Tristal stopfte ein zusammengefaltetes Lederstück in die Öffnung, schöpfte das Wasser aus und erreichte mit schnellem Rudern müde und durchnäßt eine Insel.
Im treibenden Nebel und Regen brachte er mit Mühe ein Feuer zustande und wurde nach langem Zittern allmählich warm. Lange starrte er das Boot an, dann nahm er Tors Axt und zerschlug es. Stück für Stück warf er es ins Feuer.
Für das nächste Boot mußte er noch einmal drei Wochen lang hart arbeiten. Es war ein einziger Ze-dernstamm, ausgehöhlt und in Form gebracht. Er staunte, wie die Axt ihre Schärfe hielt und auch als Abziehmesser benützt werden konnte. Er beschloß, Schablonen anzufertigen, um die Symmetrie dieses Bootes zu messen und zu verfeinern. Am Schluß schnitt er mit seinem Schnappmesser sogar schnitzerähnliche Augen in den Bug.
Es lag gut im Wasser und schwamm hoch und gerade auf den Wellen. Er machte noch einen kurzen Mast und nähte sich aus drei Seehundsfellen ein Segel. Das Seehundsfleisch trocknete er sorgfältig und lagerte es in einer dicht verschlossenen Holzkiste.
Während er sich im Nebel zwischen den Inseln nach
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