Pelbar 6 Das Lied der Axt
von Stöcken mit Steinspitzen, die offensichtlich in die Schäfte paßten.
Plötzlich hielt der Mann inne, als lausche er. Er begann wieder zu arbeiten, hielt aber erneut inne.
»Abry«, sagte er zu dem größten Jungen. »Sag Mann in Felsen, er kann hier herunterkommen, wenn er zuschauen will.« Seine Stimme war klar, er hatte einen anderen Akzent, war aber nicht schwer zu verstehen.
Abry schrie auf und wollte auf einen Speer zustürzen, aber Tor erhob sich sofort und suchte sich den Weg durch die Felsen nach unten. Er schaute den Alten an und lachte.
Der lachte zurück. »Abry«, rief er. »Laß das!« Der Junge schien verwirrt.
»Tristal!« schrie Tor über die Schulter nach hinten.
»Bring Raran mit!«
Tristal erhob sich oberhalb von Tor und folgte ihm, Raran am Halsband festhaltend.
Tor streckte Abry die Hand entgegen, aber der Junge kannte das Aneinanderdrücken der Handflä-
chen nicht. Tor ging an dem Jungen vorbei, der ihn anstarrte, und näherte sich dem Alten. »Tor«, sagte er. »Mein Neffe, Tristal. Der Hund, Raran.«
»Allein? Keine Bande diesmal?«
»Ihr seid also schon Shumai begegnet? Ja. Wir sind allein.«
»Vor langer Zeit. Wir haben getauscht. Zwei-oder dreimal. Und der verrückte Stamm.«
»Ich werde wohl unvorsichtig. Oder ich rieche. Wie hast du ...?«
Der Alte winkte ab. »Ich habe Interesse von dir ge-spürt. Du hast Gedanken ausgeschickt.«
Innerlich schauderte Tor leicht zusammen. »Lehre mich, so etwas zu machen«, sagte er.
»Das kannst du nicht über Nacht lernen.«
»Nein. Wohl nicht.«
Tristal wandte seine Augen von der jungen Frau ab, bückte sich und kramte in seinem Rucksack.
»Hier«, sagte er. »Die habe ich gefunden. Weit weg von hier.«
Er reichte dem Alten seine alte Speerspitze. Der nahm sie und drehte sie vor sich hinmurmelnd hin und her. Dann hielt er sie auf Armeslänge von sich.
»Möchtest du sie haben? Nimm sie!« sagte Tristal.
Der Alte lachte. »Nein. Behalte sie nur. Du brauchst sie später. Ich kann welche machen. Sie ist sehr hübsch. Wir haben auch ein paar alte. In Sedge. Unser Ort. Hier. Ich bin Tegrit. Abry, meinen Enkel, kennst du schon. Seine Brüder Prent und Doce. Meine Enke-lin Orsel. Habt ihr Hunger? Wir essen bald. Habt ihr was beizusteuern?«
Tristal reichte Orsel zwei Schneehühner, die er an seinem Gürtel trug. Sie lächelte ihn an. Tristal fand ihre Züge ein wenig stumpf, ihre Augen klar und ihren Blick verwirrend direkt. Er lächelte zurück, dann wandte er sich Tegrit wieder zu.
»In Sedge gibt es nicht richtigen Stein«, erklärte Tegrit. »Ist einfacher, Werkzeug hier zu machen, als ganzen Stein zurückzutragen und zu Hause zu ver-arbeiten. Natürlich nehmen wir etwas mit zurück.
Und wir lassen das meiste, was wir hier machen, roh.
Machen zu Hause fertig. Wenn du mitkommst, können wir mehr tragen.«
»Ja. Natürlich.«
»So, Tristal, du rührst um, während Orsel Vogel säubert. Junge, du holst noch Holz. Und Stroh für Bett. Du – Tor – willst du zuschauen? Ich glaube, du kannst es mit einer Hand. Aber nicht einfach. Du mußt dir Lederpolster machen und Stein draufdrük-ken. Oder laß deinen Neffen erste, schwere Stücke abhauen.«
Tor gab nur ein Gemurmel zur Antwort und hockte sich nieder, um dem Alten zuzusehen, wie der den Stein zu einer langen, blattförmigen Spitze formte.
»Ich mache die hier ganz fertig, damit du siehst«, sagte Tegrit. Dann schwenkte er sein Knochenwerk-zeug und stellte fest: »Anscheinend wollen das nur ältere Leute machen. Jüngere lassen sich von den älteren alles Werkzeug machen.« Die beiden schauten sich in plötzlichem Einverständnis grinsend an. Aber Tor war auch beunruhigt. Tegrit hatte seine Anwesenheit gespürt. Was ahnte er sonst noch? Seine Fä-
higkeit war zu klar umgrenzt, um der von Tor ähnlich zu sein. Er spürte keine Gefahr, wollte aber doch vorsichtig sein.
Sie blieben vier Tage lang, Tegrit arbeitete an Werkzeugen, Tor war die ganze Zeit bei ihm, aber seine eigenen Versuche fielen lächerlich plump aus.
Tegrit unterwies und kommentierte. Tristal ging die meiste Zeit mit den Jungen, die noch nie einen Bogen gesehen hatten, auf die Jagd. Zuerst betrachteten sie ihn mit Verachtung, aber bald staunten sie über seine Zielgenauigkeit und die Flugweite seiner Pfeile.
Manchmal kam auch Orsel mit. Sie schwieg meistens, aber Tristal spürte ihre Gegenwart, merkte, wie sie ihn ansah. In der dritten Nacht richtete sie es so ein, daß sie in der Reihe zwischen dem
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