Pelbar 6 Das Lied der Axt
gemacht war.
»Dann wird Dardan also verurteilt? Woher weißt du das?«
»Wenn sie einmal in Dunkelhaft sind, ist das allgemein üblich«, sagte Orsels Großmutter seufzend.
»Ich weiß noch, wie ein alter Jäger namens Lacon erfuhr, daß er böse sei und zum Eis verurteilt würde – ehe sie Leute immer eine Zeit in Dunkelhaft steckten und dann verurteilten. Er sagte, da er verdammt sei, würde er vorzeitig Rache nehmen. Er tötete fünf Priester, ehe Jäger ihn aufhalten konnten. Seitdem kommen sie immer drei Tage in Dunkelhaft, danach sind sie sanft wie Lämmer.«
Tristal hatte das Gefühl, als kröche ihm etwas das Rückgrat hinauf. Wie Tor angedeutet hatte, mußten die Priester wohl auf den Geist der Gefangenen ein-wirken, um Schwierigkeiten mit ihnen zu vermeiden.
»Jetzt wird Ojam verlangen, daß ich ihm diene!«
fauchte Orsel.
»Ojam? Der dürre Priester?«
»Genau der.«
»Kannst du dich nicht weigern?«
»Nein. Ausgeschlossen. Es ist Dienst an denen, die uns alle am Leben erhalten, deren Arbeit für ganzes Land notwendig ist. Kleine Sache ist es, sagen sie, geringe Leistung für ihre Arbeit.« Orsel sagte es sarka-stisch.
»Du wirst also zustimmen?«
»Nein. Das werde ich nicht. Es ist mir gleichgültig, was sie tun. Auch wenn es Tod bedeutet. Das macht nichts. Leben ist ebenfalls eine kalte, häßliche Sache.
Sieh doch, was geschehen ist!«
Tristal stand auf. »Nein. So ist es nicht. Nur hier.
Das Leben hat seine schlechte Seite, aber kalt und häßlich ist es nicht. Ich muß es wissen. Ich habe genug Schlimmes erlebt.«
Orsels Großmutter schnaubte verächtlich. Die Tante schüttelte traurig den Kopf. »Siehst du?« fragte Orsel. »Sie sind älter, wissen mehr als du. Ich sehe nur einen Ausweg.«
»Welchen? Ich helfe dir.«
»Du und Tor, ihr müßt beide helfen. Würdet ihr das tun?«
»Ja. Du weißt, daß wir es tun würden.«
»Dann ist der Weg dieser. Du mußt mich mitnehmen und fliehen. Du mußt alle Jäger überlisten.
Kannst du das?«
»Ich kenne einige, die sich überlisten lassen«, sagte Orsels Großmutter. »Sie wollen überlistet werden – so wie Lage jetzt ist. Sie werden selbst mitkommen. Ich will auch mit. Was ist mit dir, Ulpan?«
»Ich komme mit«, sagte Orsels Tante. »Auch wenn es den Tod bedeutet.«
»Dann ist es entschieden«, sagte Orsel. Sie hörte auf, das Garn zu zwirbeln und schnippelte es ab. Tristal fühlte sich unbehaglich, aber gebunden. Er stand auf, um Tor zu holen. Die Sache wuchs ihm über den Kopf. Als er sich jedoch aus der Hütte bückte, wäre er beinahe mit einem der jungen Priester zusammenge-prallt, der sich hereinbeugte und sagte: »Orsel, es ist Zeit, daß du kommst und für Ojam das Gedicht der Verpflichtung sprichst. Er hat lange genug gewartet.
Du brauchst Ablenkung von deinem Kummer. Er braucht Hilfe und jemanden, der ihm dient. Ich schlage vor, du sprichst ein traditionelles Gedicht wie ›Brautblume‹. Das kennst du sicher. Wir haben alles vorbereitet und erwarten dich in zwei Drehungen der Sanduhr. Du mußt dich anziehen.«
»Jetzt gleich? So eilig? Siehst du nicht, daß ich noch um meinen Großvater trauere?«
»Genau so hielt es Ojam für das beste. Er wollte deine Gedanken vom Kummer ablenken. Er würde dir viel Freude und Erbauung schenken. Leichter Dienst.«
»Genug. Ich komme. Du kannst dich darauf verlassen.« Orsels Stimme klang grimmig.
Der Priester lächelte. »Vergiß nicht. Ojam möchte ›Brautblume‹ hören. Das kennst du natürlich.«
»Ja. Natürlich. Aber ich habe selbst ein Gedicht, das ich mir aufgespart habe.«
»Hm. Wenn du meinst. Wenn es gut ist.«
»O ja. Sehr angemessen.«
Der Priester verneigte sich und ging. Die Frauen starrten sich an. Ulpan begann zu schluchzen, und Orsels Mutter legte jammernd die Arme um sie.
»Wenn ihr diese Leute so verachtet, warum tut ihr dann doch immer wieder, was sie sagen?«
»Nichts zu machen«, meinte Orsel. »Höchstens eine Möglichkeit. Die nütze ich jetzt. Ich habe jetzt keine Zeit, um mit dir davonzulaufen, Tristal. Schade. Du bist zwar nicht Dardan, aber weit besser als Ojam.«
Tristal wußte nicht, wie er reagieren sollte. Er sagte schlicht: »Ich hole Tor«, und ging.
Tor nahm die Nachricht schweigend auf. Er überlegte und sagte schließlich: »Es hat keinen Sinn, wenn du mit ihr fortläufst. Die Jäger würden euch fangen.
Außerdem, was würdest du mit ihr anfangen? Du bist versprochen. Es muß eine bessere Möglichkeit geben. Dardan muß auch
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