Pelbar 6 Das Lied der Axt
retten sollten. Das haben sie getan. Einer wurde dabei verletzt. Jetzt bist du fertig mit ihnen, du ver-nichtest sie einfach und wirfst sie weg. Wie zerbrochenes Geschirr.«
»Man wird schon eine Verwendung für sie finden, sobald die Feldarbeit beginnt. Was soll ich denn sonst tun?«
»Sie freilassen. Sie freilassen natürlich.«
»Und was machen sie dann? Sie gehören zu keiner Zunft. Sie haben keine Familie hier. Ihre Fähigkeiten sind die von Wilden. Sie gehören nicht zur Bruder-schaft, wissen vielleicht nichts vom Heiligen Weg. Sie haben einfach keinen Platz hier.«
Emily starrte lange aus dem Fenster. »Ich kann es kaum glauben.«
»Was?«
»Tor hat mir gesagt, daß es so kommen würde. Er hat fast genau deine Worte gebraucht.«
»Die Ahnungen dieses Mannes gehen mir allmählich ein wenig auf die Nerven! Er ist irgendwie sonderbar.«
»Nein. Überhaupt nicht. Aber da ist noch etwas.
Als ich vom Eis herunterlief, lächelte er mich an und legte den Arm um mich. Ich weiß nicht mehr, was er sagte, aber er ... er machte es mir möglich ... weiter-zuleben. Du ... du hast das nicht getan. Du hast dich einfach hingesetzt, als ich hereinkam.«
»Beim Herrn! Wie kannst du das sagen? Mir war ganz schwach vor Erleichterung. Vielleicht wäre dir der Wilde als Vater lieber. Nein, sag das nicht! Nein!«
Sie saßen lange Zeit schweigend da. Endlich sagte Emily: »Vater.«
»Ja?«
»Lade sie zum Essen ein!«
»Zum Essen? Sie? Sie leben im Wald. Wie kannst du erwarten ...« Er schaute sie lange an. »Na gut.
Nächste Woche.«
»Heute abend.«
»Aber ...«
»Wenn du jetzt einen Boten schickst, haben sie noch Zeit, sich zu säubern. Ich empfange sie. Ich sage ihnen, sie ... sollen dich nicht beschimpfen. Wütend sind sie sicher. Das wäre ich auch. Ich bin es. Aber sie sind sehr sanftmütig.«
»Sanftmütig!«
»Tor hat Roland auf seinem Schoß gehalten und ihn mit einem Löffel gefüttert – und der fauchte die ganze Zeit Beleidigungen.«
»Zweifellos in einem Kauderwelsch, das Tor nicht verstand.«
»Den Sinn hat er schon verstanden. Aber er hat nicht darauf geachtet.«
Fenbaker warf die Hände hoch. »Na gut. Heute abend. Ich schicke nach ...« Emily hatte sich auf seinen Schoß geworfen und umarmte ihn fest. »Beim Herrn, Emily!«
Es war ein kleines Essen, das Freifrau Fenbaker unter Protest zubereitet hatte. Anwesend waren Tor und Tristal, der Sektorenrichter und seine Frau, Blanche, Emily und Colin, der neunjährige Sohn der Fenbakers, der die Shumai ängstlich und aufgeregt an-strahlte. Anwesend waren außerdem fünf Männer, die lässig nahe an der Wand standen und zuschauten.
Tor lächelte ihnen zu. Nur Bob lächelte zurück.
»Reicht es denn?« fragte Frau Fenbaker.
»Ja. Es schmeckt mindestens so gut wie drüben im Gefängnis.«
»Tristal, du hast es mir versprochen ...«, sagte Emily.
»Was? Habe ich etwas Falsches gesagt? Ich dachte, ich hätte gesagt ...«
»Hier essen alle ziemlich das gleiche, nicht wahr, Freifrau?« sagte Tor. »Ich glaube, ich könnte mein Leben lang ohne Rüben auskommen. Wenn ich die Wahl habe. Man füttert uns jetzt damit schon die ganze Zeit lang jeden Tag. Aber ich sehe, daß es hier nicht viel Gemüse gibt. Hinter dem Eis gibt es eine große Vielfalt davon. Ich wünschte, es wäre nicht so weit. Die Segler auf der anderen Seite pflanzen Kartoffeln an. Die würden hier gut gedeihen. Gutes Essen und machen wenig Arbeit. Gerste habe ich bisher nicht gekannt. Und euer einziges Fleisch stammt vom Schaf. Dem unglückseligen Schaf. Hier muß es im Sommer doch Wasservögel geben. Nehmt ihr die nicht?«
»Enten? Gänse? Essen? Fleisch von Federvieh?«
Tor lachte. »Ist das denn etwas Schlechtes? Ganze Gesellschaften essen es – einige sind so weit entwik-kelt wie ihr hier. Manche sind wie wir – bluttriefende Wilde, ihr wißt schon. Die geifernd über die Beute herfallen.«
»Tor!«
»Ach, Emily. Es tut mir leid. Ich habe es dir versprochen. Euer Flachs beeindruckt mich. Habe ihn nie zuvor gesehen. Ich könnte mich daran gewöhnen, so etwas zu tragen.«
»Es ist eine endlose Arbeit und schlecht für den Boden. Das und die Schafe. Wir müssen sehr vorsichtig sein.«
»Wir haben einiges über euer Land erfahren. Ihr habt hier heiße Quellen?«
»Hast du schon einmal welche gesehen?«
»Weit im Süden gibt es einige. Ich bin nie dortge-wesen. Sie liegen am Rand des Forman-Gebietes. Einige der Shumai haben mit den Forman Handel getrieben. Sie haben sie gesehen.
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