Pelbar 6 Das Lied der Axt
stellt trotzdem eine Wache auf, wie ich es euch gesagt habe – vor Jahren schon! Wahrscheinlich wird nichts passieren. Noch nicht.«
Johnston schnaubte. »Wir müssen das Essen run-terschlingen und vor dem Regen mit dem Heu weitermachen. Na ja, jedenfalls vielen Dank für deine Hilfe!«
Tor war schon unterwegs. Er winkte als Antwort mit der Hand. Als er bis zur Eiswand hinaufgestiegen war, strömte der Regen herab und rann in schmalen Wasserfällen vom Eis herunter. Tor fand einen seiner kleinen Schutzplätze unter einer Fichte und setzte sich. Als der Regen nachließ, wurde es allmählich dunkel. Tor bewegte sich lautlos einen schmalen Pfad entlang, der zur Holzfällerhütte führte. Etwas war anders. Er konnte es spüren. Der Waldboden war nicht mehr so bröckelig durch den Regen, der immer noch von den Bäumen tropfte und in der Dunkelheit die Abhänge herunterrauschte.
Die Dunkelheit wurde fast undurchdringlich, ehe Tor das erste Geräusch hörte, ganz leise, aber nicht hierher gehörend. Er zog seine Axt aus der Scheide.
Ein zweites Geräusch folgte, weiter entfernt. Tor schlich langsam vorwärts, duckte sich, blieb stehen.
Er hörte nichts, spürte aber, daß jemand da war.
Er behielt seine Stellung absolut lautlos wenigstens zwanzig Sonnenbreiten lang bei. Der andere bewegte sich nicht. Die Wolken lichteten sich, ein perlenwei-
ßer Mondschein begann sie zu durchfluten und tauchte den Wald in geisterhafte Helligkeit. Tor hockte immer noch entspannt und reglos da.
Die Zeit verging die Nacht erreichte ihren Höhe-punkt und begann ihren langen Abstieg auf den Morgen zu. Von weit unten hörte Tor wieder ein ge-dämpftes Geräusch, dann, etwas näher, ein zweites, schwach aber bedeutsam.
Plötzlich vernahm er ein leises Rascheln, dann ein Schwirren, ein Pfeil sauste durch die Dunkelheit, wurde von einem unsichtbaren Zweig abgelenkt und durchbohrte seinen rechten Arm. Im gleichen Augenblick erhob er sich, rannte auf das Geräusch zu, wich aus, schwang seine Axt, spürte, wie sie in Fleisch biß, hörte einen gellenden Schrei, wieder ein Rauschen, drehte sich um, schwang erneut die Axt, spürte wieder, wie sie tief eindrang, noch etwas rauschte, er drehte sich um, richtete die Axt nach vorne, um dem Angriff zu begegnen und ihn abzulenken, dann hastete er hinter eine Tanne, in die ein Pfeil hineinfuhr.
Er kam wieder hervor und erwischte die schwach sichtbare Gestalt, wie sie einen neuen Pfeil auflegte.
Er schlug mit aller Kraft nach unten, fühlte, wie die Axt den Schädel traf, und wie der nachgab. Eine der Gestalten wand sich noch immer auf dem Boden.
Tor lief etwa zwanzig Armlängen weit, kniete sich schwer atmend hinter einen Baum und fand endlich Zeit, sich mit dem Pfeil in seinem Arm zu beschäftigen. Die Wunde war nicht schlimm, obwohl sie schmerzhafte Nadelstiche ausschickte. Er bemühte sich, kein Geräusch zu machen, denn er wußte, wer immer da unten war, mußte den Kampf gehört haben. Tor schnitt den Pfeilschaft ab, zog ihn heraus und verband die Wunde, wobei ihm vor Schmerz die Tränen aus den Augen liefen. Dann hielt er sich wieder still. Von oben war schwach zu hören, wie jemand stöhnte und um sich schlug. Einer der Angreifer war noch bei Bewußtsein. Ein weiteres, leises Ge-räusch, erschreckend nahe, bewog Tor, seinen Blick zu wenden, aber nicht seinen Körper. Er strengte seine Augen an, um etwas zu sehen. Von den Bäumen tropfte es noch immer. Er erkannte undeutlich eine einzelne Gestalt, die sich sehr langsam vor ihm den Hang heraufschob. War das ein Trick? Die Gestalt schien ihn nicht zu sehen, nicht einmal zu spüren. Einen Augenblick war sie in sicherer Nähe, und Tor nützte ihn, überwand den Abstand in zwei Sätzen und versetzte der Gestalt mit der flachen Seite der Axt einen raschen Schlag seitlich auf den Kopf. Die Gestalt sackte ächzend zusammen. Tor kniete neben dem Mann nieder, suchte seinen Gürtel, hieb ihn mit der Axt durch und band dem Mann die Hände hinter den Rücken. Er war völlig schlaff. Tor betastete seinen Kopf und spürte, daß er voller Blut war. Dann kehrte er zu seinem Baum zurück und lauschte noch einmal zehn Sonnenbreiten lang. Von den Bäumen tropfte es unablässig. In Tors rechtem Arm tobte ein dumpfer Schmerz, als läge er auf einem Ast. Dann trat Tor heraus, hob den Mann auf, den er gefesselt hatte, hievte ihn sich auf die Schulter und machte sich auf den Weg den Hang hinunter, langsam und so leise, wie er nur konnte. Die Gestalt war ziemlich
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