Pelbar 6 Das Lied der Axt
leicht, aber gelenkig und gut gebaut.
Stanley Johnston fühlte sich noch wie zerschlagen, weil er bis tief in die Nacht hinein gearbeitet hatte, aber er stand auf, als es dämmerte, ging in den Hof und streckte sich. Was kam denn da? Schon wieder Tor? Er schleppte auf zwei Stangen etwas hinter sich her? Einen Mann! Johnston rannte zum Mannschafts-haus und schrie durch die Tür: »Hallo. Alle raus jetzt!
Schnell!«
Sie kamen herausgerannt, zum Teil nur halb ange-kleidet. Tor senkte seine Schlepptrage und blieb stehen, die Augen verschleiert vor Erschöpfung, leicht keuchend.
Die Männer drängten sich um ihn und schauten hinunter auf einen jungen Mann in schwarzer Lederkleidung, mit geschwärztem Gesicht, das Haar so lang, daß er es in einem fettigen Schwanz zusammengefaßt hatte. Seine Wangen zeigten auf jeder Seite drei parallele Narben. Die linke Seite seines Gesichts, wo Tor ihn geschlagen hatte, war geschwollen. Er war jetzt wach und blinzelte ängstlich.
Tor setzte sich plötzlich. »Da oben sind noch drei.
Mindestens. Und alle drei sind mindestens verletzt.
Wahrscheinlich sind zwei davon tot.«
»Du, Tor. Bist du in Ordnung? Laß mal den Arm sehen! Man möchte meinen, er hätte schon genug aushalten müssen.« Stan Johnston schaute sich die Wunde an, runzelte die Stirn, blickte auf den Fremden und sagte: »Geh mal lieber rein und laß die Wunde von Mag nochmal auswaschen! Um den hier kümmern wir uns.«
Wie der Blitz war Tor wieder auf den Beinen.
»Was? Wie meinst du das, ihr kümmert euch um ihn?
Er kommt zum Sheriff!«
»Jetzt hör mal zu! Ich habe vor Jahren meinen Jungen an die verloren. Sie haben meinen Onkel getötet, seine Farm niedergebrannt. Für solche Männer gibt es nur einen Platz. Überlaß ihn mir! Wir haben dir deinen Willen gelassen, und vielleicht warst du auch ei-ne Hilfe. Aber jetzt geh zur Seite!« Johnston griff nach Tor und – fand sich hochgehoben, umgedreht und zu Boden geworfen.
»Na gut, ihr Männer, ihr tretet jetzt zurück«, sagte Tor mit tiefer, ruhiger Stimme. »Was nützt er euch, wenn er tot ist? Dann erfahrt ihr nie etwas von ihm.
Mit Toten kann man keine Verbindung aufnehmen oder zu Vereinbarungen kommen.«
»Du, Tor«, sagte Jase Smythe. »Jetzt gehst du zu weit! Es steht dir nicht zu, Johnston zu verletzen. Und jetzt übergib ihn uns, ehe noch jemand zu Schaden kommt!« Er schaute hin, drehte sich um und schwang blitzschnell eine Latte, alles in einer Bewegung, dann spürte er, wie ihm die Latte aus der Hand geschlagen wurde. Er schaute auf Tors aus der Scheide gezogene Axt und wich ein paar Schritte zurück.
»Wenn einer von euch auch nur einen Fetzen An-stand oder Achtung vor dem Gesetz hat, dann läuft er jetzt und holt den Sheriff oder seine Männer. Sofort!«
»Du machst dich lächerlich. Alter! Wir brauchen doch nur ins Haus zurückzugehen und einen von den Bogen zu holen, mit denen du uns das Schießen beigebracht hast. Was nützt dir dann das Spielzeug, das du da in der Hand hast?«
»Du, Smythe? Hast du jemals einen Menschen ge-tötet?«
Der große Mann zögerte. »Einmal ist immer das erstemal«, sagte er dann.
»Ich habe gerade drei getötet. Mit diesem Spielzeug. Zwei von ihnen hatten Bogen. Und jetzt holt den Sheriff!«
Die Männer sahen sich an, die meisten verspürten weder Johnstons Wut noch Smythes Draufgänger-tum. Aber keiner bewegte sich.
»Na gut«, sagte Tor. »Wie ihr wollt. Dann bringe ich ihn eben selbst hin. Aber ihr braucht nie mehr zu sagen, daß ihr anständige Leute seid.« Er hob die Deichsel am Ende seiner Schlepptrage auf und wollte um sie herumgehen. Zwei Männer traten auf ihn zu.
Er ließ die Last plötzlich fallen, was den Mann darin aufschreien ließ, und stellte sich ihnen entgegen.
Aus einiger Entfernung konnte er sehen, daß Mutter Johnston herbeigelaufen kam und sich dabei die Hände an der Schürze abwischte. Ihr Zorn und ihre Erschütterung waren nicht zu übersehen. »Du, Tor.
Du hast einen erwischt. Gib ihn uns! Gib ihn heraus!«
Sie rannte auf ihn los und wollte ihn zur Seite stoßen.
Er wehrte sie mit steifem Arm von sich ab, und sie setzte sich mit einem Plumps hin. »Laßt ihr euch das gefallen? Von dem da?« kreischte sie. »Von einem nichtsnutzigen Wilden?«
Sie begannen ihm auf den Leib zu rücken. »Wir reden über das Leben eines Menschen!« rief Tor. »Und wenn es auf euch angekommen wäre, wären sie alle hier unten gewesen.« Aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie aus den nahegelegenen
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