Pelbar 6 Das Lied der Axt
Vielleicht gehen wir nach Süden. Du sagst, da gibt es viel freies Land. Genügend Wild.
Jetzt sieh mich nicht so an! Du glaubst, ich kenne die Schwierigkeiten nicht. Vielleicht. Aber ich weiß, wie es hier ist. Ich werde nie etwas darstellen. Werde mein ganzes Leben in diesem Steinhaus zubringen und Fichtentee trinken. Alt werden. Den ganzen Winter über hören, wie der Wind den Schnee vor sich hertreibt. Nein. Das ist ein langsamer Tod und ein ständiges Sterben. Außerdem ...«
»Noch etwas?«
»Wir würden alle gehen.«
»Wer – alle?«
»Die Frauenräuber – bis auf Pennybacker, dieses Insekt. Jean ist verheiratet. Seine Frau ist einverstanden. Alle sind einverstanden. Ein widriges Schicksal hat uns zusammengeworfen. Und Jean sagt, seine beiden Brüder wollen auch mitkommen. Es wird ein ganzer Trupp. Die Monets waren schon in diesem Sommer oben auf der Eiswand und haben trainiert.
Wir werden uns Zeit lassen. Wir werden alle trainie-ren. Aber alles hängt davon ab, daß Roland gehen kann.«
»Liebst du ihn wirklich?«
»Natürlich. Es ist nicht nur ... unser Mißgeschick.«
»Bist du sicher, Emily?«
»Ja. Ich dachte, du hättest soviel Intuition, daß du das wüßtest.«
»Ich dachte es, als er verletzt war. Aber das war ei-ne Zeit großer Spannung. Nun, ich werde bei ihm tun, was ich kann.«
»Gut. Er wartet. Im kleinen Empfangszimmer.«
»Was ist, wenn ...«
»Kein ›Was ist, wenn‹. Wir wußten, daß du uns helfen würdest.« Emily warf die Arme um Tor und legte ihre Wange an seine Brust. »Zum Küssen könntest du ruhig kleiner sein«, sagte sie.
»Wenn du ungefähr vierzig Tage auf dem Eis warst, wirst du bestimmt nicht mehr den Wunsch haben, mich zu küssen«, sagte Tor.
Alle Shumai waren in den alten Zeiten Läufer gewesen, und so hatten sie viel über Heilmethoden für Läufer gelernt. Tor besuchte die Fenbakers mehrere Tage lang und brachte Roland Thebeau in Schwung.
Es war nicht leicht. Obwohl Thebeau behauptete, er habe Geduld, wollte er sofort Ergebnisse sehen. Tor versuchte ihn zu beruhigen, indem er ihm auseinan-dersetzte, welche anderen Fähigkeiten er noch brauchen würde, sie auflistete und ein Programm aufstellte, nach dem er sie lernen sollte.
In seiner Freizeit besuchte er den jungen Fremden und bemühte sich, ihn zum Reden zu bringen. Die paar Worte, die der junge Mann sagte, waren nicht verständlich. Dann verlegten die Sektorenrichter den Mann ins Südsektorgefängnis, um ihn außer Reichweite der Farmer zu bringen. Tor begegnete gelegentlich einigen von ihnen in Boiling Springs. Er nahm ihre Beschimpfungen schweigend hin und machte ihnen Platz, aber es gelang ihm immer, sie daran zu erinnern, daß das Jahr noch nicht um war und daß sie sich noch verteidigen müßten. Er verspürte selbst eine immer stärker werdende Spannung und Ruhelosigkeit. Schließlich, ohne den Fenbakers große Erklärungen abzugeben, verließ er sie und ging zur Eiswand im Westen.
Er blieb im Wald, wo er gelegentlich Anzeichen einer Patrouille der Männer des Sheriffs bemerkte, darunter Bobs unverkennbare Riesenspuren. Eines Nachts wollte er nach Boiling Springs aufbrechen, um noch einmal die Aufzeichnungen über die früheren Überfälle zu studieren, aber als er sich auf den Weg machte, sah er, daß der Himmel in perlweißes Mondlicht getaucht war. Er blieb stehen. Im Eistal unter-teilte man das Jahr in vierzehn Monate zu je sechs-undzwanzig Tagen, wobei der letzte Monat immer siebenundzwanzig Tage hatte. Er stellte schnell einige Berechnungen an. Als er die Aufzeichnungen in die dreizehn Mondmonate der Shumai übertrug, sah er, daß die Mehrzahl der Überfälle in der Nacht vor dem Vollmond stattgefunden hatte. Das war, wie er sah, die folgende Nacht. Er drehte sich um und lief wieder nach Westen.
Er kam an einer Farm nach der anderen vorbei und sah, daß alle schliefen, als sei die Eiswand einen Ayas hoch und lückenlos. Endlich, nach Mitternacht, erblickte er nahe am Westhang, wo der Wald anfing, ein Feuer und lief darauf zu. Eine Gruppe von Männern stand herum. Er blieb außerhalb des Feuerscheins stehen und rief: »Johnny!«
»Wer ist da?«
»Tor.«
»Was willst du?« fragte ein Mann. »Wieder Unruhe stiften? Komm ins Licht, damit wir dir einen von denen in den Leib bohren können.«
»Haut ihm eins über den Schädel, dem Mistkerl!«
murmelte ein anderer.
Weitere Ausrufe und Flüche wurden vom Mann des Sheriffs unterbrochen, der schrie: »Ruhe, ihr Schafschinder! Tor, was ist
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