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Pelte, Reinhard

Pelte, Reinhard

Titel: Pelte, Reinhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inselbeichte
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zu erheben.
     
    *
     
    Die Rückreise verlief wie die Hinreise. Der Schnee deckte das Land noch immer zu. Die wenigen, vom Schnee entblößten dunklen Flecken auf den Äckern und Wiesen waren größer geworden, soweit Jung das von der B 200 aus sehen konnte. Er musste sich auf den Verkehr konzentrieren. Der dichte Nebel war ostwärts über den Geestrücken hinweg bis nach Flensburg vorgedrungen und hatte sich über die Stadt gewälzt.

Die Kollegen
    Nachts war Wind aufgekommen, der Jung aus dem Schlaf gerissen hatte. Am frühen Morgen trommelte Regen auf das Dach. Als er nach dem Aufstehen aus dem Küchenfenster sah, war der Nebel verschwunden.
    Auf seiner Fahrt zur Inspektion auf Norderhofenden sah Jung erstaunt, wie schnell die hohen Schneeberge links und rechts abgeschmolzen waren. Ein schneller Blick auf das Display sagte ihm, dass die Temperatur über Nacht rapide angestiegen war. Der Verkehr floss ruhig, und die Stadt war morgens, nach 8 Uhr angenehm leer. Er stellte das Auto auf dem Parkstreifen im Innenhof der Polizei-Inspektion ab und begrüßte Petersen am Aufgang zum Treppenhaus.
    »Moin, Petersen.«
    »Moin, Herr Oberrat. Wo sind Sie so lange gewesen? Ich habe Sie vermisst.«
    »Ich bin ein paar Tage im Nebel des Grauens umhergeirrt«, erwiderte Jung schmunzelnd.
    »Und da haben Sie die Orientierung verloren, ich verstehe.«
    »Ja und nein«, erwiderte Jung munter.
    »Wie darf ich das verstehen, Herr Oberrat?«
    »So, wie ich es sage, Petersen. Ich hatte Erleuchtungen, und es gab dunkle Momente, die mich in Verwirrung stürzten.«
    »Na ja, jetzt sind Sie wieder bei uns. Da können Sie sich von den Verwirrungen erholen«, meinte Petersen amüsiert.
    »Da könnten Sie recht haben, Herr Polizeiobermeister. Schönen Tag noch.«
    »Gleichfalls, danke Herr Jung.«
    Jung stieg das Treppenhaus hinauf in sein Büro. Er hatte es eilig. Nachdem er seine alte Lederjacke an den Garderobenhaken gehängt hatte, griff er sofort zum Telefon und wählte Enderts Nummer.
    »Endert, Gerichtsmedizin.«
    »Guten Morgen, Herr Kollege. Jung hier.«
    »Guten Morgen«, rief Endert erstaunt. »Sie schon wieder? Was kann ich denn dieses Mal für Sie tun? Haben Sie noch ältere Leichen im Keller als das letzte Mal?«
    »Nein«, lachte Jung. »Ich kann Sie beruhigen. Es geht nur um ein Medikament.«
    »Ein Medikament? Das klingt ziemlich harmlos. Es kann aber auch welterschütternd gefährlich sein.« Enderts Stimme hatte einen kryptischen Klang angenommen.
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Jung alarmiert.
    »Sagen Sie mir einfach, um welches Medikament es sich handelt. Dann sehen wir weiter.«
    »Ich möchte etwas über Trofanil wissen«, sagte Jung.
    »Trofanil? Oje! Das gehört eher zur zweiten Sorte«, erwiderte Endert sibyllinisch.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Trofanil ist ein starkes Antidepressivum aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva mit schlimmen Nebenwirkungen. Wollen Sie es Holtgreve empfehlen, Herr Oberrat?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Damit er nicht mehr so weiter machen kann wie bisher.«
    »Sie geben mir Rätsel auf, Endert. Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
    »Keineswegs, nichts läge mir ferner, Herr Kollege. Ich denke nur, dass beim Zustand der Welt, wie sie nun einmal ist, jeder einigermaßen gesunde Mensch depressiv sein muss. Wer sich aber benimmt wie Holtgreve, ist krank. Er braucht Hilfe, verstehen Sie?«
    Jung fragte sich, was er falsch gemacht hatte, dass Endert seine alte Leier abziehen konnte. Er hatte eigentlich keine Zeit für diese Spielchen, nahm sich aber vor, ihn nicht zu verärgern. Er wollte an nützliche Informationen kommen. Deswegen erwiderte er: »Das ist aber wenig logisch, was Sie da sagen, Herr Doktor.«
    »Mag sein. Aber ich denke an die Nebenwirkungen. Und ich könnte mir vorstellen, dass sie bei Holtgreve Wunder bewirken könnten.«
    »Nun werden Sie zynisch, Herr Doktor.« Jungs Ironie schwappte durch das Telefon. »Ich warne Sie. Was Sie sagen ist nahezu kriminell. Ich müsste unter Umständen gegen Sie einschreiten, ist Ihnen das klar?«
    »Völlig klar.«
    »Dann erzählen Sie mal. Von welchen Nebenwirkungen reden Sie?«
    »Es gibt viele. Ich nenne mal die schönsten: Libidoverlust, erektile Dysfunktion, das heißt er kriegt keinen mehr hoch, Herzrhythmusstörungen, Obstipation {20} , Hypotonie {21} …«
    »Das ist nicht mehr witzig, Endert«, unterbrach ihn Jung.
    »Gut, dann nenne ich Ihnen ein paar harmlosere: Gewichtszunahme, Hautausschlag, Kopfschmerzen,

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