Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Omelette
gelegt und es mit süßer Ingwerpaste und geraspeltem uralten Gouda gekrönt. Aus
einer gewissen Pietät heraus sage ich nichts – die Kreatur, die Mutter Agnes zu
ihrem Sterbelager im Wald gebracht und danach einen Tag lang gefastet hat,
verdient jeden Krümel, den meine Küche hergibt.
Meine Küche, oje. Selbst im aufgeräumten Zustand wird mir das
Gewerbeaufsichtsamt nach nur einem Blick auf die Einrichtung das erste Gebot
der Lebensmittelhygieneverordnung unter die Nase reiben: Alle
Bau- und Anlagenteile müssen so beschaffen sein, dass eine Verschmutzung und
insbesondere das Wachstum von Mikroorganismen vermieden werden. Mein Einwand,
der Anblick eines hundertjährigen alten Küchenschranks beflügele meine
Kreativität weitaus mehr als eine weiß gekachelte Zelle, würde ebenso auf
Unverständnis stoßen wie meine Versicherung, Kuchenteig lasse sich auf einem
alten Holztisch viel angenehmer auswalzen als auf einer kalten Edelstahlfläche.
Meine Küche soll kein Hightechzentrum für Molekularexperimente werden, keine
Produktionshalle, um hungrige Touristen abzufertigen, sondern als Herzstück
meines kleinen Unternehmens eine gewisse Behaglichkeit ausstrahlen. Das
schließt eine praktische Einrichtung und Reinlichkeit doch nicht aus!
Vielleicht findet sich ja irgendwo ein Paragraf, der winzigen Landhausküchen
außergewöhnliches Flair zugesteht. Was nicht bedeutet, dass meine Mitarbeiter
sie so verwüsten dürfen, wie sie es heute Morgen getan haben.
Hein und Jupp erheben sich.
»Dann bringen wir Jumbo mal zurück nach Losheim«, seufzt Jupp. »Wird
gar nicht so einfach werden.«
»Wieso?«, frage ich. »Ihr könnt doch beide drauf sitzen.«
»Was noch lange nicht heißt, dass er sich dann auch von der Stelle
rührt«, erläutert Hein. »Vernachlässigung straft er mit Missachtung und
Ungehorsam.«
»Das möchte ich mir ansehen«, sage ich und folge den beiden in den
Flur.
In diesem Augenblick höre ich einen Wagen in den Hof einfahren. Das
wurde aber auch Zeit!
»Wir bekommen Besuch«, rufe ich in die Küche hinein. »Am besten, ihr
kommt mal her!«
In meine Küche kann ich jetzt keinen Vertreter der Obrigkeit
hineinlassen; wer weiß, wie die Polizei mit den für Gaststätten zuständigen
Behörden vernetzt ist. Die dicke Berliner Schlampe darf da
unmöglich einen Gastronomiebetrieb einrichten! Ich schüttele mich.
Von Marcel weiß ich, dass in Belgien zumindest die Behörden
vorzüglich aufeinander eingespielt sind. Was man von der Regierung dieses
sympathischen kleinen Nachbarn, meines neuen Heimatlandes, nicht sagen kann. In
Deutschland gibt es ungemütliche Koalitionskrisen, in Belgien jagt eine
Regierungskrise die nächste, und gelegentlich schmeißen alle die Brocken hin,
und es gibt überhaupt keine Regierung. Dafür aber schöne Gedankenspiele über
den Ausbau der Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft, der sogenannten DG,
der ich jetzt auch angehöre und die im Streit zwischen Flamen und Wallonen
schon mal den Vermittler spielt. Offiziell gehört die DG zur Wallonie, doch so
richtig grün sind die französisch Sprechenden den Deutschsprachlern gegenüber
nicht. Auch ein Grund, weshalb unter den circa siebzigtausend DGlern jetzt eine
Diskussion entbrannt ist, ob man sich im Fall des Zusammenbruchs ihres
Königreichs Luxemburg oder Deutschland anschließen sollte. Oder gleich einen
selbstständigen Staat ausruft. Ein kleines Monaco an der NRW-Grenze schafft,
mit Spielcasinos, Bankentürmen und billigen Tankstellen. Eine weitere Formel-1-Rennstrecke
ließe sich in dieser dünn besiedelten bergigen Region mühelos einrichten, die
Funktion des Jachthafens könnte eine exklusive Golfanlage mit angeschlossener
Wellnessmetropole übernehmen. Die atemberaubende Landschaft zwischen Sankt Vith
und der Luxemburger Grenze böte einer Disney World riesigen Ausmaßes Platz, und
Parkplätze gäbe es zuhauf. Spätestens dann würden auch die vielen schadhaften
Straßen, hier verschämt als »route degradée« gekennzeichnet, repariert werden.
Die gleichen Beamten wie am Vortag entsteigen ihrem
Dienstwagen. Freundlich, aber bestimmt erklären sie Hans-Peter auf der
Treppenstufe der Einkehr , seine Frau hätten sie nicht
gefunden, aber neue Erkenntnisse machten jetzt eine ausführlichere Vernehmung
in Euskirchen erforderlich.
Er ist sichtlich erschrocken. Vernehmung, denke ich überrascht,
nicht Verholung; gehört Euskirchen noch zur Eifel?
»Ich habe Ihnen doch bereits alles gesagt, was
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