Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
ich weiß«, wehrt
Hans-Peter die Aufforderung zum Mitgehen ab, ohne nach den neuen Erkenntnissen
zu fragen. Finde ich ziemlich verdächtig.
Mit den nächsten Worten ordnet der freundliche Polizist das
Städtchen Euskirchen wieder der Eifel zu: »Holen Sie auf jeden Fall mit, was
Sie für eine Nacht brauchen. Wir können noch nicht sagen, wie lange es dauert.«
»Für eine Nacht?! Ich wohne im Burghaus Kronenburg und habe nur
hier, was ich am Leib trage. Ich kann Ihnen nicht mal meinen Personalausweis
vorlegen.«
»Soll ich mitkommen?«, meldet sich Gudrun plötzlich.
Für zu übersetzen?, will ich fragen,
platze dann aber doch mit dem Satz heraus, den ich mir bisher mühsam verkniffen
habe: »Das Blut am Bunker stammt von deiner Frau!«
»Was?«
Abrupt wendet sich der Polizist mir zu und hebt die Augenbrauen:
»Woher wissen Sie das?«
»Nur eine naheliegende Vermutung«, stottere ich. In berufliche
Schwierigkeiten will ich Marcel wirklich nicht bringen.
»Soll ich mitkommen?«
Hans-Peter greift nach Gudruns langen mageren Händen und drückt sie
sanft. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich hier um Vinzenz kümmern würden.
Er hat ja sonst niemanden.«
Typisch, mich hat er in der Öffentlichkeit früher auch gesiezt.
»Natürlich«, flüstert Gudrun. Tränen stehen ihr in den Augen.
»Oh nein!«, erkläre ich, aber es fehlt die Zeit, das Kind aus dem
Wäschekorb in der Küche zu holen und es dem Großvater ans Herz zu drücken. Und
meine Autorität habe ich bereits ausgereizt.
Schweigend sehen wir vier zu, wie Hans-Peter in den Polizeiwagen mit
dem Euskirchener Nummernschild steigt.
»Ob er seine Frau wirklich umgebracht hat?«, fragt Hein flüsternd,
als wir zurück in die Küche gehen.
»Dafür ist er viel zu dämlich«, murmele ich.
»Er hätte sein Verdeck über Nacht schließen sollen«, meint Hein
zustimmend. »Vorhin hat er gar nicht über seine Frau gesprochen, nur über den
Regen, der ihm die Sitze und das Babygestell versaut hat.«
»Ich habe auch nicht daran gedacht«, jammert Gudrun.
»Du bist nicht für alles und jeden hier verantwortlich«, schreie ich
sie an und werfe mich auf den ersten freien Stuhl.
Nach gewaltigem Gepolter und meiner Zusicherung, mir nichts getan zu
haben, rappele ich mich zwischen den Trümmern des einstigen Ablagestuhls auf,
der immerhin Jupps Gewicht ertragen hat, und breche mit den anderen in
befreiendes verbündendes Gelächter aus. Sogar das Schreien des Babys klingt mir
jetzt heiter in den Ohren.
»Dieser Stuhl sagt mir, dass ich abnehmen muss«, erkläre ich und
verkünde: »Deshalb mache ich jetzt einen Spaziergang.«
»Du machst einen was?«, fragt Hein fassungslos.
Klar, Katja pendelt zwar zwischen Belgien und Deutschland hin und
her, aber das sind nur ein paar erforderliche Schritte über eine Bundesstraße.
Die Zeiten haben sich geändert, mein Freund, denke ich, künftig werde ich mindestens
einmal im Jahr mein Grundstück abschreiten, um sicherzugehen, dass dort niemand
verbotene Pflanzen züchtet.
»Ich nehme Linus mit«, sage ich, »und wenn ich zurückkomme, kann ich
mich in dieser Küche vielleicht wieder irgendwo unbeschadet hinsetzen und
irgendetwas anfassen, was nicht klebt.«
Meine drei Mitarbeiter nicken eifrig.
»Was ist mit meinen Blumen?«, raunt mir Hein ins Ohr.
»Das ist dein Problem«, sage ich laut. Und hoffe, dass es nicht zu meinem
wird.
»Keine Sorge, für den Dicken kommt’s auf eine halbe Stunde auch
nicht mehr an«, meint Jupp, in dessen Gehör die Blumen als Jumbo angekommen
sind. Er hebt ein Stuhlbein auf und schüttelt es drohend Richtung Kuhstall. »Er
wird mir beleidigt das Hinterteil zuwenden und Stunden brauchen, bis er sich in
Bewegung setzt.«
»Im Gegensatz zu mir«, erkläre ich, »dann räumt mal schön auf.«
Ich schnappe mir meinen Hund und kehre mit ihm kurz in mein
belgisches Domizil zurück, um mich präsentabler zu machen, auch wenn ich
wahrscheinlich schweißgebadet in Krewinkel ankommen werde. Nach diesem
chaotischen Tagesanfang kann ich die positiven Schwingungen einer
buddhistischen Sekte gebrauchen. Einer gewachsenen Wohngemeinschaft, in der
niemand vor anderen dunkle Geheimnisse hat und alle andauernd an einem Strang
ziehen, wenn auch an einem esoterischen. Ist vielleicht nicht das Schlechteste,
wenn die Leute nicht ständig mit Pflege und Aufzucht des eigenen Egos
beschäftigt sind.
Ich werde also Cora und ihre Mitbewohner besuchen. Eine
Telefonnummer habe ich nicht, aber nach dem
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