Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Trauben gewesen? Die Angst vor Verletzung? Vor der
Enthüllung? Vor dem Sichfallenlassen, dem Verlust der Kontrolle über den
eigenen ziemlich umfangreichen Körper mit innewohnenden Gefühlen?
Ich lebe. Noch nie ist mir das so deutlich bewusst gewesen. Ich
liebe. Und kann von den Liebkosungen dieses Mannes nicht genug bekommen, möchte
die Zeit anhalten und am liebsten für immer an der Seite dieses integeren
Mannes in diesem breiten belgischen Bett liegen bleiben.
Irgendwann wache ich auf. Allein. Ich taste neben mich, berühre die
kratzige Matratze des unbezogenen Bettes neben mir.
»Marcel?«
Dann erst öffne ich die Augen. Der Duft von Kaffee und süßem Gebäck – Pfannkuchen? – steigt mir in die Nase. Ich krabbele von der sehr hohen
Matratze und wandere nackt in die Küche. Auf dem von Marcel selbst gezimmerten
Tisch wartet ein üppiges Frühstück auf mich. Keine Pfannkuchen, sondern
Waffeln.
»Selbst gemacht«, steht auf einem Zettel neben dem Waffelteller,
»steck sie in den Toaster.«
Alle Achtung, sie passen genau hinein.
»Becher drunterstellen und nur Knopf drücken«, steht auf der
Kaffeemaschine. Was ich augenblicklich tue. Ein geschlossenes Edelstahlgefäß
informiert mich, dass es frisch gepressten Orangensaft enthält. Die anderen
Köstlichkeiten bedürfen keiner Beschriftung.
Der Mann muss in aller Herrgottsfrühe aufgestanden sein, um für mich
einzukaufen und das Frühstück herzurichten. Und ich habe nichts gemerkt, selig
in den Tag hineingeschlafen, nach einer Nacht großer Nähe und Zärtlichkeit. Bei
dem Gedanken an unsere leidenschaftliche Umarmung setzt sofort ein behagliches
Kribbeln in meiner Magengrube ein. Ich streichele eine Ecke des selbst
gezimmerten Küchentischs. Mein Gott, was bin ich glücklich!
Marcel auch? Auf einmal werde ich sehr verunsichert. Vielleicht war
er enttäuscht. Oder er wollte nur mal sehen, wie das mit einer fetten Frau im
Bett so ist; eine Bemerkung, die ich mir in meiner Jugend ein paarmal anhören
musste, bis ich mich mit der Rolle der Geliebten begnügt habe. Dabei aber, wie
Gudrun so mitfühlend angedeutet hat, den Bedürfnissen meines
Liebhabers nicht ganz gerecht geworden bin. Was sollte das bedeuten? Bin ich
schlecht im Bett, weil meine Körperfülle nicht alle Kamasutra-Stellungen
zulässt?
Mein Handy bimmelt.
»Ja?«, melde ich mich verärgert. Bilder von geschmeidigen indischen
Akrobatinnen geistern durch meinen Kopf.
»Ich hoffe, du hast ausgeschlafen«, kommt Marcels Stimme. Sie klingt
kühl und von sehr weit weg. Scheint gar nicht zu dem Körper zu gehören, an den
ich grad mit solchem Behagen gedacht habe. Sie passt viel besser zu meinen letzten
sehr unerfreulichen Gedanken. Das angenehme Kribbeln im Magen ist verebbt, und
das Herz wird mir mit einem Mal fürchterlich schwer.
»Ja«, antworte ich.
»Dann komm bitte so bald wie möglich bei mich ins Büro. In die
Aachener Straße. Weißt du noch, wo das ist?«
»Wie könnte ich das je vergessen! Darf ich noch zu Ende
frühstücken?«
Tiefes Ausatmen am anderen Ende.
»Hast du dafür alles, was du brauchst?«
»Mehr als das. Danke.«
»Mach schnell, Katja! Es gibt neue Entwicklungen, am besten, du
kommst direkt her.«
Er will mich also nicht frühstücken lassen. Direkt heißt in der
Eifel schneller als sofort.
»Was für Entwicklungen?«
»Ein Haufen. Die Frau von Hans-Peter ist wieder aufgetaucht.«
»Nein!«
»Doch.«
»Wo? Und wie?«
»Erfährst du gleich hier. Aber das ist noch längst nicht alles.«
Mein Blick schweift über den liebevoll gedeckten Frühstückstisch.
Sogar an Fetakäse mit Wassermelone hat er gedacht, eine Kombination, die ich
morgens besonders gern verspeise. Soll ich das jetzt alles stehen lassen? Damit
es später in seinem Kühlschrank vergammelt? Aber auf neuen Entwicklungen kann
und will ich ihn nicht sitzen lassen, schon gar nicht, wenn es um Gaby von
Krump-Kellenhusen und noch viel mehr geht. Andererseits knurrt mir der Magen.
Außerdem sollte ich mir ein paar weibliche Taktiken zu eigen machen. Nicht
gleich springen, wenn der Herr ruft. Aber was ist nun mit Hans-Peters Frau? Der
Kampf zwischen Hunger und Neugierde geht in die erste Runde.
Unter der Dusche ist er entschieden. Man kann das eine tun, ohne das
andere zu lassen. Während ich den Kaffee trinke, verpacke ich die belegten
Teller in saubere leinene Handtücher, die ich im Küchenschrank finde, wo ich vergeblich
nach Alufolie oder Frischhaltepapier gefahndet habe. Ich stelle alles
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