Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Drifter unbekümmert überleben, als Zugvogel sorgenfrei abheben, sich mal hier, mal da
niederlassen und den großen Meister einen lieben Mann sein lassen? Wie reagiert
so ein Gegenwartsmensch, wenn der Körper Endlichkeitsmeldungen zu verschicken beginnt,
die Zähne Ärger machen und die Augen eine Beute nicht mehr so scharf anpeilen
können? Kleine Malaisen schüren Ängste, die im Laufe der Zeit größer werden.
Für jemanden wie Gaby noch kein großes Problem. Mit ihrem Geld kann sie die
ersten Verfallserscheinungen in die Schranken verweisen. Und sogar im Wald
souverän Make-up und hohe Schuhe tragen. Cora hingegen könnte in Panik geraten,
plötzlich befürchten, auf die falsche Lebenskarte gesetzt und den Anschluss an
die real existierende Welt verpasst zu haben. Ohne Rücksicht auf Verluste
zuschlagen, weil sie sich mittellos in die Ecke gedrängt fühlt.
Cora muss Gabys Schwester sein. Je länger ich über unsere Begegnung
nachdenke, desto mehr bin ich davon überzeugt. Kleine Bewegungen, Stimmfärbungen,
die Art, wie sie die Schultern hebt und die Nase rümpft, klassische Familienähnlichkeiten.
Seine Frau hat das Geld , hat Gudrun
gesagt. Wenn die Schwestern aus einer reichen Familie stammen, wie Hans-Peter
Gudrun gesagt hat, sollte eigentlich auch für Cora genug abgefallen sein.
Vielleicht hat sie ihr Erbe einem Guru vermacht und ist inzwischen blank? Hat
sich Gaby ihr Vermögen gar selbst erarbeitet und Hans-Peter durch den Luxus
geschleppt?
Beim Googeln werde ich da wohl schwerlich was finden, aber einen
Versuch ist es wert. Sonst soll Marcel sich damit befassen. Vielleicht fördern
wir zutage, dass die zauberhafte Gaby von Krump eine etwas abgedrehte ältere
Schwester hat, die viel auf Reisen ist. Den Himalaja erstürmt. Himalaja. Nepal,
du meine Güte, da stolpern die Gurus, wenn sie nicht gerade schweben, doch noch
mehr übereinander als hier im Grenzgebiet! Ein Dorado für eine Frau mit esoterischen
Qualitäten. Aber ein bisschen weit weg. Höchstens für ihren Astralkörper
schnell erreichbar, und an dem bin ich momentan wenig interessiert. Gut
möglich, dass sie sich mit oder ohne Kohle wieder bei Victor versteckt.
Rührende Storys kann sie ja geschickt auftischen, wie ich selbst erfahren habe.
Ich habe ihr die Geschichte von dem Kampfhund, der das Nachbarbaby verschluckt
hat, ja auch abgenommen.
Vor der Einkehr parkt ein Wagen mit
Bitburger Kennzeichen.
Jedes fremde Auto ist mir jetzt verdächtig. Wer weiß, wen Gudrun
diesmal hereingelassen hat, in welcher Gefahr sie jetzt möglicherweise schwebt.
Leise öffne ich die Haustür und schleiche in die Küche. Da wartet zur
Abwechslung mal eine erfreuliche Überraschung auf mich.
Mein alter Freund Josef Junk. Der ehemalige Polizeichef von Prüm hat
im vergangenen Jahr mit wenigen Worten zur Lösung einer anderen schrecklichen
Mordserie beigetragen, mir viel über das Räuchern von Schinken erzählt und ist
im Laufe der Zeit zu einem guten Freund des Hauses geworden. Vielleicht kann er
mir wieder mit klugem Rat weiterhelfen. Wenn auch nicht mehr als Polizist: Den
Ermittlerposten hat er gerade gegen den des Verbandsbürgermeisters von Bitburg
eingetauscht. Das war schon eine kleine Sensation: ein SPD-Mann, der in der
sonst so schwarzen Eifel eine wichtige Wahl gewinnt. Wohl deshalb, weil er die
Bürgernähe auf natürliche Weise ausstrahlt, die der belgischen Polizei von oben
herab verordnet wird.
Gut, dass er nicht an jenem Tag hier hereingeschneit ist, als ich
Heins Hanf aus dem Keller geholt und den beiden Scheiterhaufen übergeben habe!
Bei Marihuana hört für Josef Junk der Spaß auf; dafür hat er mit viel zu vielen
Drogendelikten in Prüm zu tun gehabt. Und so wütend ich auf Hein auch war;
ausgeliefert hätte ich ihn ebenso wenig, wie das Gaby bei Cora vorhat – sonst
hätte sie sich doch längst der Polizei anvertraut. Der hat sie wohl nur
erzählt, dass sie vor Wut auf ihren Mann Mopsfledermäuse im Hohen Venn gejagt
hat. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, dass sie sich auf der Suche nach
Sektenhäusern im Grenzgebiet Blasen gelaufen hat.
»Da bist du wieder mal in eine schlimme Sache reingeraten«, sagt
Josef Junk nach einer herzlichen Begrüßung und deutet auf den riesigen Schinken
und das fast so große Stück geräucherten Bauchspecks in der Mitte des
Küchentischs. »Deshalb habe ich euch etwas zur Stärkung mitgebracht. Nicht fürs
Restaurant, nur zum Privatverzehr«, setzt er streng hinzu.
»Er hat mir aber verraten,
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