Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Cora durch die Männer abgeschreckt werden könnte und
wieder untertaucht. Aber wenigstens wird sie dann Gaby nichts antun können. Und
Marcel wird begreifen, dass nicht Gaby die Killerin ist, sondern Cora.
Was will sie von mir? Mich für irgendwelche finsteren Aufgaben
rekrutieren? KATJA/GABY. Als sei es ihr gleich, welche von uns beiden sie an
der Eibe treffen wird. Bevor ich den Motor anlasse, schaue ich mir im
Rückspiegel in die Augen. Die Rötung ist fast verschwunden. Auch die Synapsen
in meinem Gehirn scheinen wieder bestens zu funktionieren. Jeder Gedanke
gebiert einen neuen, der auf seinem Vorgänger aufbaut, und keiner versandet
mehr in einem Zwischenbereich wie noch vor Kurzem.
Ich kurbele das Autofenster herunter, atme die saubere Eifeler Luft
tief ein und schicke dann die hoffentlich letzten Cannabismoleküle in meiner
Lunge hinaus in die Weiten der Schneifel.
Für Cora bin ich weit weniger wichtig als Gaby, die viel mehr von
ihr und über sie weiß. Die vielleicht auch aus dem Weg geräumt werden muss,
damit Cora in Frieden und Sicherheit in Nepal oder sonst wo ihre Millionen
verprassen kann – lauter Worte, die zu der mir bekannten Igelfrau überhaupt
nicht passen wollen. Sie hat mich manipuliert, anders lässt es sich nicht
erklären.
Widerwillig muss ich dem Krewinkeler Schamanen zustimmen: Sie ist
auch mir immer einen Schritt voraus gewesen. Aber ich bin nicht ihre Schülerin
und betrachte mich nach meiner Kenntnis der Lage für durchaus befähigt, sie
einzuholen. Ich bin auf alles vorbereitet. Sie wird mir auch keine
abenteuerliche Geschichte auftischen können, die dazu führt, dass ich völlig
ahnungslos Gabys Ableben verursache.
Ich wende den Wagen und fahre wieder auf die Kehr. Die tief
hängenden dunklen Wolken über der weiten Hügellandschaft künden Niederschlag
an. Vielleicht Schnee, denke ich, als ich auf das Autothermometer blicke. Drei
Grad. Hat sich Cora mit einem Schlafsack in den Fledermausbunker verzogen und
harrt dort ihres nächsten Opfers?
Am Hochwasserbehälter steht kein weiteres Auto; also haben die
Männer Gaby wohl verpasst. Ich stelle meinen Wagen ab und überlege, ob ich
außer Linus noch einer Waffe bedarf. Der Hund springt überglücklich aus dem
Auto und rennt augenblicklich in den Wald hinein.
»Bei Fuß, Linus!«, rufe ich ihn streng zurück.
Aber natürlich ist das, was er gerade erschnüffelt, viel interessanter
als meine Stimme. Zu meiner Verteidigung taugt er wirklich nicht. Sein
furchterregendes Aussehen wirkt zwar so abschreckend wie die Atombombe im
Kalten Krieg, aber Cora weiß um die geringe Bedrohung durch meinen Hund. Der
sie zudem kennt und vermutlich eher verteidigen als angreifen würde, wenn er
denn überhaupt was täte.
Aber das vernachlässigte Vieh hat einen Auslauf verdient. Ich
überlege, wie lange es dauert, Gartentorelemente abzuladen. Meine Kontrahentin
kann noch gar nicht dort sein, wo sie mich hinbeordert hat. Ich soll ja auf sie warten. Nicht in der Kälte.
Also setze ich mich wieder in den Wagen und ziehe aus dem
Handschuhfach die Tüte mit englischen Weingummis aus dem Ardenner Grenzmarkt in
Losheim. Unter Umgehung der sehr künstlich schmeckenden grünen Teile futtere
ich langsam die Tüte dünner. Der Zucker tut mir gut.
Ich rekapituliere die Ereignisse der letzten Stunden, und wieder
fällt mir unweigerlich Marcel ein. Ich erwäge, ihn anzurufen und ihm
mitzuteilen, dass ich dabei bin, die Mörderin zu stellen. Wo ist er jetzt, und
was hat er vor, frage ich mich, als ich mein Handy hervorziehe, und wozu
braucht er Josef Junk? Er will offensichtlich Gaby in Kronenburg stellen, ist
vernagelt von der Vorstellung, sie wäre die Mörderin. Mir hat er nicht einmal
richtig zugehört. Zugegeben, es hat mir sehr behagt, von ihm in den Arm
genommen und geküsst zu werden, auch vor den anderen, aber meine Ermittlungsergebnisse hat er nicht ernst genommen. Warum nicht?
Weil er polizeiliche Erkenntnisse hat, über die ich nicht verfüge.
Ich kaue langsamer, lasse das letzte Stück roten Weingummis sehr langsam im
Mund zergehen. Ich habe alles, was ich von der Frau brauche .
Indizien, Beweise gar? Er war sich seiner Sache so sicher. Ich bin mir meiner
zwar auch sicher, aber …
Das rote Stück Weingummi fährt mir in den Schlund. Ich werfe die
Tüte mit dem grünen Ausschuss auf den Beifahrersitz. Meine gesamte
Indizienkette beruht einzig auf dem, was mir Gaby erzählt hat, auf ihren Reaktionen – eine gute Schauspielerin, hat Gudrun
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