Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
»Ist das alles, was Ihnen einfällt? Und was mache ich dann bitte schön mit dem Bürgermeister? Er verlangt nun mal sofortiges Eingreifen von mir und will bestimmt keine vierundzwanzig Stunden mehr abwarten. Uns läuft die Zeit davon, Vncent, das müßte doch auch Ihnen klar sein.« Er wandte sich an Waxie.
»Machen Sie mir eine Verbindung mit dem Büro des Bürgermeisters, und dann stellen Sie fest, wo Jack Masters ist. Wir müssen endlich in die Gänge kommen.«
»Einen Augenblick noch, Chief Horlocker«, meldete sich Frock zu Wort »Ich bin derselben Meinung wie Lieutenant D'Agosta. Wir sollten nichts überstürzen und ...«
»Zu spät, Professor«, fauchte Horlocker und wandte sich wieder der Karte zu. »Die Entscheidung ist gefallen.«
Frocks Gesicht wurde puterrot, und er rollte wütend in Richtung Tür. »Dann fahre ich eben in mein Labor«, erklärte er bitter. »Offenbar ist meine Gegenwart hier nicht länger erwünscht.«
Margo wollte aufstehen, aber D'Agosta legte ihr eine Hand auf den Arm. Mit Bedauern sah sie, wie sich die Tür hinter ihrem alten Lehrer schloß. Früher einmal war Frock für sie ein Visionär gewesen, der nicht unerheblich an ihrer Entscheidung beteiligt gewesen war, den Beruf der Anthropologin zu ergreifen. Jetzt aber fühlte sie nur noch Mitleid für den großen Wissenschaftler, der sich zusehends mehr in seine Theorie verrannte. Warum nur hat man ausgerechnet ihn bei diesem Fall hinzuziehen müssen? fragte sie sich. Warum konnte man ihn nicht in Ruhe und Frieden seinen Lebensabend genießen lassen?
39
Pendergast stand auf einem kleinen metallenen Laufsteg und blickte hinunter auf den trägen Abwasserstrom, der eineinhalb Meter unter ihm vorbeifloß. Auf den Monitoren seines VisnyTek-Nachtsichtgeräts glühte er seltsam grün und irreal. Der Geruch, der Pendergast in die Nase stieg, ließ auf eine gefährlich hohe Methangaskonzentration schließen, so daß der FBI-Agent von Zeit zu Zeit in die Tasche seines Kampfanzugs griff und aus einem kleinen Mundstück reinen Sauerstoff atmete.
Der Laufsteg war über und über mit aufgeweichtem und wieder getrocknetem Papier und anderen weniger leicht identifizierbaren Dingen verklebt, die sich offenbar beim letzten Unwetter dort verfangen hatten. Zudem war das Eisen des Steges so stark von Rostausblühungen überzogen, daß Pendergasts Stiefel darin versanken wie in einem Teppich aus Moos. Sorgfältig suchte der FBI-Agent die schleimüberzogenen Wände nach der Metalltür ab, die den letzten Teil des Abstiegs in die Astortunnels markierte. Alle zwanzig Schritte zog er eine kleine Spraydose aus der Tasche und sprühte zwei Punkte einer Farbe an die Wand, die für das menschliche Auge unsichtbar war, in dem auf Infrarotmodus geschalteten Nachtsichtgerät aber gespenstisch aufglühten.
Die Punkte sollten ihm helfen, seinen Rückweg auch dann zu finden, wenn er – aus welchem Grund auch immer – keine Zeit mehr zum Kartenlesen haben sollte.
Nachdem er eine Weile über dem Kanal entlanggegangen war, entdeckte Pendergast die mit dicken Nieten besetzte Metalltür, nach der er gesucht hatte. Sie war durch ein massives Vorhängeschloß gesichert, das, ebenso wie die Tür selbst, von einer dicken Schicht aus Kalk und Rost überzogen war. Mit einer kleinen akkubetriebenen Säge, die er in einer Tasche Beines Anzugs mitgebracht hatte, rückte Pendergast dem Schloß zu Leibe. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte sich das diamantbesetzte Sägeblatt mit einem laut kreischenden Geräusch und hell sprühenden Funken durch das Metall des Schließbügels gefressen, und das Schloß fiel scheppernd auf den Laufsteg. Schließlich durchschnitt Pendergast auch noch die verrosteten Angeln der Tür, so daß sie sich mit geringem Kraftaufwand nach vorne kippen und über das Geländer des Laufstegs hinunter in den Kanal werfen ließ. In der Wand des Tunnels gähnte nun ein schwarzes Loch, in dem ein schmaler Schacht hinunter in eine bodenlose Tiefe führte.
Pendergast verstaute die Säge wieder in seinem Anzug, wischte den Rost von seinen Latex-Handschuhen und spähte mit seiner Nachtsichtbrille hinab in die Dunkelheit. Selbst mit eingeschalteten Infrarotdioden war kein Boden zu erkennen.
Wieder griff Pendergast in eine der großen Außentaschen seines Tarnanzugs und holte ein langes, dünnes Seil aus Kevlar hervor, dessen eines Ende er um einen massiven in die Wand des Schachtes eingelassenen Eisenbolzen knotete. Dann warf er das Seil hinunter in
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