Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
noch eine Nische in der Tunnelwand in Sicht waren, hastete sie auf den schmalen Schotterstreifen zwischen den beiden Gleisen voran in der Hoffnung, daß nicht gerade jetzt ein Gegenzug kam.
Hinter sich konnte Margo die Glocke hören, die das Schließen der Türen signabsierte, und kurz darauf das Zischen der Preßluft, mit der sich die Bremsen des Zuges lösten.
Die U-Bahn fuhr an und näherte sich ihr mit zunehmendem Tempo. Margo trat auf das gegenüberliegende Gleis, sah die hell erleuchteten Fenster der Waggons an sich vorbeirasen und wartete, bis sich der Zug laut rumpelnd und funkensprühend entfernt hatte.
Hustend vom aufgewirbelten Staub und mit klingenden Ohren trat Margo wieder zurück aufs Gleis. Vor sich, im rötlichen Schein der Rücklichter des letzten Waggons, konnte sie jetzt drei dunkle Gestalten erkennen, die eben aus einer Nische in der Tunnelwand traten.
»Pendergast!« rief sie, so laut sie konnte. »Warten Sie auf mich.«
Die Gestalten hielten inne. Als Margo näher kam, sah sie im trüben Licht der Tunnelbeleuchtung Pendergasts scharfes Profil.
»Dr. Green?« fragte er in seinem unverkennbaren Südstaatenakzent »Wie kommen denn Sie hierher?«
»Großer Gott, Margo«, polterte D'Agosta verärgert los. »Was fallt Ihnen denn ein, uns hinterherzulaufen?
Pendergast hat doch ausdrücklich ...«
»Halten Sie den Mund und hören Sie mir zu«, zischte Margo.
»Ich habe endlich herausgefunden, wozu Kawakita das Vitamin D hergestellt hat. Er wollte es als Waffe gebrauchen.«
Selbst in dem schlechten Licht konnte Margo noch den ungläubigen Ausdruck auf D'Agostas Gesicht erkennen. Mephisto stand hinter ihm in der Dunkelheit und sah aus wie eine Geistererscheinung aus der Unterwelt.
»Ich kann es Ihnen erklären«, keuchte Margo. »Wir wissen doch, daß die Wrinkler kein Licht vertragen. Mehr noch: Zuviel Licht ist absolut tödlich für sie.«
»Richtig«, sagte Pendergast. »Aber ich verstehe trotzdem nicht, worauf Sie hinauswollen.«
»Es ist nicht das Licht an sich, das den Wrinklern zu schaffen macht, sondern das, was das Licht in ihnen erzeugt. Wenn Sonnenlicht auf unsere Haut fällt, produziert unser Körper bekanntlich Vitamin D. Ich vermute nun, daß dieses Vitamin auf die Kreaturen eine toxische Wirkung hat und dafür verantwortlich ist, daß zuviel Licht ihnen große Schmerzen bereitet und vermutlich sogar zu ihrem Tod führt, so wie bei den Mäusen in meinem Labor. Übrigens könnte dieser Umstand sogar eine Erklärung für den Namen Wrinkler sein, denn starker Vitamin-D-Mangel macht die Haut faltig und lederartig. Darüber hinaus führt er zu Osteomalazie, dieser Knochenerweichung, die Dr. Brambell an Kawakitas Skelett festgestellt hat. Erinnern Sie sich, daß er sogar meinte, er habe es mit einem extrem schweren Fall von Skorbut zu tun? Dr. Brambell wollte es nicht glauben, aber genau das war der Fall!«
»Interessante Theorie«, sagte D'Agosta. »Aber haben Sie denn auch Beweise dafür?«
»Wozu hätte denn Kawakita sonst das Vitamin D synthetisieren sollen?« rief Margo. »Immerhin war es das reine Gift für ihn.
Aber er wußte, daß die Kreaturen auf ihn losgehen würden, wenn er die Pflanzen im Reservoir zerstörte. Und weil sie auf Entzug waren, würden sie bestimmt nicht gerade zimperlich mit ihm umspringen. Er hatte nur eine Chance: Er mußte die Pflanzen und die Kreaturen vernichten.«
Pendergast nickte. »Ich stimme Dr. Green zu. Das scheint mir die einzig plausible Erklärung für das Vitamin D zu sein. Aber warum sind Sie uns hinterhergelaufen, um uns das zu sagen?«
Margo klopfte mit der flachen Hand auf ihre Umhängetasche.
»Weil ich drei Literflaschen mit einer hochkonzentrierten Vitamin-D-Lösung bei mir habe.«
»Na und?« schnaubte D'Agosta. »Wir haben schon genügend andere Waffen, um mit den Wrinklern fertig zu werden.«
»Das möchte ich bezweifeln. Erinnern Sie sich noch, wie schwierig es war, den Mbwun zu erlegen? Wenn es wirklich so viele Wrinkler gibt, dann können Sie ihnen mit all Ihren Waffen nichts anhaben.«
»Das haben wir auch gar nicht vor«, erwiderte Pendergast. »Wir wollten eigentlich jeglichen Kontakt mit den Kreaturen vermeiden.«
»Aber wird Ihnen das auch gelingen? Sollte es doch zu einer Konfrontation kommen, dann nützen Ihnen auch die stärksten Waffen nicht viel. Kugeln können den Kreaturen zwar weh tun, aber das hier« – damit zog sie eine Flasche aus ihrer Tasche und zeigte sie Pendergast – »das hier trifft sie an
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