Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
Wand des Ganges eingehauenen Werkstattnische, in der verrostete Eisenbahnräder und Ersatzteile für Signale und Weichen gestapelt waren.
Überall lag Werkzeug herum, und auf einem modrigen Holztisch stand noch ein Teller mit den verschimmelten Knochen eines halben Hühnchens. Die Nische machte den Eindruck, als sei sie Hals über Kopf verlassen worden.
»Was mag hier wohl passiert sein?« fragte D'Agosta.
»Das werden wir nie mehr erfahren«, entgegnete Pendergast.
»In einer Stunde existiert das alles nämlich nicht mehr.« Er deutete auf eine dicke Metalltür hinten an der Wand. »Dahinter befindet sich eine Treppe, die hinab zu den Astortunnels führt. Dort werde ich unsere letzte Ladung anbringen.« Er nahm einen Barren Sprengstoff aus seinem Beutel und rollte ihn in der dicken Staubschicht auf dem Boden.
»Wozu soll denn das gut sein?« fragte D'Agosta. »Zur Tarnung?«
»Genau«, antwortete Pendergast, während er den Plastiksprengstoff an den Fuß des Türpfostens drückte.
»Hier besteht durchaus die Gefahr, daß eine von den Kreaturen vorbeikommt und den Sprengstoff entdeckt.
Sind Ihnen die Fußspuren im Tunnel aufgefallen?«
Margo warf einen Blick nach draußen und sah, was Pendergast gemeint hatte. Der schlammige Boden des Ganges war voller Abdrücke von nackten Füßen. »Großer Gott«, hauchte sie und griff nach dem Sauerstoff.
Die Luftfeuchtigkeit betrug hier bestimmt an die hundert Prozent. Nachdem sie einen tiefen Zug genommen hatte, bot sie Smithback das Mundstück an.
»Danke«, sagte der Journalist und atmete langsam ein.
Margo sah, daß seine Augen jetzt nicht mehr so stumpf vor sich hin starrten, aber ansonsten bot der Mann ein Bild des Jammers: Seine Haare hingen ihm in die Stirn, sein Hemd war zerrissen und voller Blutflecke. Der arme Bill sieht aus wie etwas, das man gerade aus einem Abwasserkanal gefischt hat, dachte Margo; und wenn man es genau nimmt, kommt das der Wirklichkeit sogar ziemlich nahe. »Was war eigentlich an der Oberfläche los?« erkundigte sich Margo, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.
»Die Hölle«, antwortete Smithback und gab ihr die Atemmaske zurück. »Als die Wisher-Demo in vollem Gange war, tauchten plötzlich Hunderte von Obdachlosen aus dem Untergrund auf. Direkt auf dem Broadway, können Sie sich das vorstellen? Jemand hat gesagt, die Polizei habe die Tunnels voll Tränengas gepumpt, um die Maulwürfe unter dem Central Park zu vertreiben.«
»Die Maulwürfe, Schreiberling«, zischte Mephisto, »die Maulwürfe sind wir. Wir scheuen das Licht des Tages, aber nicht deshalb, weil es hell und warm ist, sondern wegen der Dinge, die es enthüllt: Käuflichkeit und Korruption sowie Ausbeutung von unzähligen kleinen Arbeitsameisen, die tagtäglich in den Tretmühlen des Kapitalismus schuften müssen.«
»Ach, hören Sie doch auf!« sagte D'Agosta. »Ich wäre heilfroh, wenn ich nur schon wieder oben in dieser käuflichen, korrupten Welt der Ausbeuter wäre. Sie können sich dann von mir aus im dunkelsten Scheißloch verkriechen, das es unter dieser Stadt gibt, und ich werde Sie dort auch bestimmt in Ruhe lassen, darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
Pendergast trat auf sie zu und sagte leise: »Während Ihrer kleinen Plauderei habe ich mir erlaubt, die letzte Ladung scharf zu machen.« Er rieb sich die Hände und versteckte den leeren Sprengstoffbeutel hinter einem Stapel alter Eisenbahnschwellen. »Und jetzt Schluß mit dem Gerede, sonst machen wir die Kreaturen nur noch auf uns aufmerksam. Außerdem geht in dreißig Minuten der Sprengstoff hoch, und dann möchte ich gerne aus dem Untergrund verschwunden sein.« Mit diesen Worten verließ er die Werkstattnische.
Er war erst ein paar Meter im Tunnel vorangekommen, als er plötzlich anhielt. »Sind Sie bereit, Vincent?«
hörte Margo ihn flüstern.
»Allzeit bereit!« gab D'Agosta zurück.
Pendergast überprüfte noch einmal seinen Flammenwerfer.
»Wenn es hart auf hart kommt und ich mit diesem Ding einen Feuerstrahl ausstoße, muß jeder stehenbleiben, bis die Flammen verschwunden sind. Die Flüssigkeit aus diesem Flammenwerfer bleibt erst einige Augenblicke an einer Oberfläche haften, bevor sie sich entzündet. Sobald es losgeht, müssen Sie sofort Ihre Nachtsichtgeräte ausschalten und abnehmen. Und sehen Sie zu, daß Sie keinen Blitz in die Augen bekommen.
Jetzt entsichern Sie Ihre Waffen, aber warten Sie mit dem Schießen, bis ich das Kommando gebe.«
»Was ist denn los?« fragte Margo,
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