Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
Labors in eine tiefe Depression hineinziehen zu lassen. Wenn Frock recht hatte und die Deformation genetisch bedingt war, dann würde das die Identifizierung der Leiche auf einen relativ kleinen Personenkreis einengen. jetzt, wo Brambell tot war, waren sie auf jeden Hinweis angewiesen, der sich bot. Die Skelette aus der Physikalischen Anthropologie hatten keine neuen Erkenntnisse vermittelt. Während Margo einen Knochen nach dem anderen vermaß, fragte sie sich, was Brambell jetzt wohl an ihrer Stelle getan hätte, aber die Erinnerung an den ermordeten Gerichtsmediziner war zu schmerzhaft. Wie schrecklich, auf diese Weise ums Leben zu kommen... Sie schüttelte den Kopf und zwang sich, wieder an ihre Arbeit zu denken.
Als sie gerade einen besonders komplizierten Handknochen vermaß, schrillte das Telefon. Am Abstand zwischen den Klingelzeichen konnte sie erkennen, daß es sich um einen Anruf von außerhalb des Museums handelte. Vielleicht war es ja D'Agosta, der Neuigkeiten über Brambells Tod hatte.
Margo hob ab. »Forensische Anthropologie«, meldete sie sich.
»Ist Dr. Brambell da?« wollte eine kurzangebundene, jugendlich klingende Stimme wissen.
»Dr. Brambell?« fragte Margo, deren Gedanken sich überschlugen. Was sollte sie nur sagen, wenn ein Verwandter von Brautbell am Apparat war?
»Hallo? Sind Sie noch dran?« fragte die Stimme.
»Ja, natürlich«, antwortete Margo. »Dr. Brambell ist nicht hier. Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Es handelt sich um eine vertrauliche Angelegenheit. Mit wem spreche ich denn?«
»Mit Dr. Green. Ich bin Dr. Brambells Assistentin.«
»Ach so. Das ist natürlich etwas anderes. Mein Name ist Dr. Cavalieri vom St. Luke's Hospital in Baltimore. Ich habe jetzt die Identität des Patienten herausgefunden, nach dem Dr. Brambell sich erkundigt hat.«
»Was für ein Patient?«
»Na, der mit der Spondylolisthesis.« Margo hörte das Rascheln von Papier: »Erinnern Sie sich an die seltsamen Röntgenaufnahmen, die Dr. Brambell mir geschickt hat? Zuerst dachte ich ja an einen schlechten Scherz. Aber dann bin ich doch noch draufgekommen.«
»Auf was?« fragte Margo und suchte sich einen Stift und ein Stück Papier. »Am besten, Sie erzählen mir die Sache von Anfang an.«
»Na schön«, willigte die Stimme ein. »Ich bin orthopädischer Chirurg in Baltimore. Einer von dreien in den Vereinigten Staaten, die korrektive Operationen zur Verminderung von Spondylolisthesen vornehmen. Dr. Brambell wußte das.«
»Was ist eine Spondylolisthesis?« fragte Margo.
Dr. Cavalieri hielt kurt inne. »Sind Sie denn keine Ärztin?« fragte er in einem Ton, der auf einmal ziemlich mißtrauisch klang.
Margo atmete tief durch. »Dr. Cavalieri, ich schenke Ihnen am besten reinen Wein ein. Dr. Brambell wurde ... nun, er ist in der vergangenen Nacht verstorben. Ich bin Evolutionsbiologin am Naturgeschichtlichen Museum und habe ihm dabei geholfen, die Überreste von mehreren Mordopfern zu begutachten. Jetzt, wo Dr. Brambell nicht mehr hier ist, müssen Sie mir alles sagen, was Sie wissen.«
»Dr. Brambell ist tot? Aber ich habe doch noch gestern mit ihm gesprochen.«
»Es war ein ziemlich plötzlicher Tod«, erwiderte Margo, die dem fremden Arzt nicht mehr erzählen wollte.
»Aber das ist ja schrecklich. Dr. Brambell war überall in den USA als Kapazität auf seinem Gebiet bekannt, ganz zu schweigen von Großbritannien und ...«
Cavalieri führte den Satz nicht zu Ende. Margo dachte daran, wie sie Dr. Brambell in der Linnaeus Hall zum letztenmal gesehen hatte: Ein selbstsicheres Lächeln hatte um seine Lippen gespielt, und seine Augen hatten lebhaft hinter der altmodischen Hornbrille hervorgeblitzt. Ein leiser Seufzer am anderen Ende der Leitung riß sie aus ihren Gedanken.
»Unter einer Spondylolisthesis versteht man das Abgleiten eines Wirbelkörpers nach vorn, das im Fall dieses Patienten durch einen Bruch des Wirbels verursacht wurde«, dozierte die Stimme Dr. Cavalieris. »Wir korrigieren eine derartige Fraktur, indem wir die beiden Teile mittels einer Metallplatte und mehrerer Schrauben wieder zusammendrücken.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen folgen kann«, sagte Margo.
»Erinnern Sie sich noch an die vier weißen Dreiecke auf den Röntgenaufnahmen, die Sie mir geschickt haben?
Das sind die Gewindestücke für die Schrauben, die noch immer in den Knochen stecken. An ihnen kann ich sehen, daß der Patient eine operierte
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