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Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens

Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens

Titel: Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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Verbundenheit
J. C. Shottum
    Sie zog den nächsten Brief aus dem Packen.
    Mein lieber Kollege,
beim letzten Treffen unseres Bildungszirkels hat Professor
Blackwood die Versteinerung einer Lilie präsentiert
und behauptet, das Fundstück stamme aus den Morencydolomiten
und sei dem Devon zuzuordnen. Eindeutig ein
Irrtum, zumal bereits LaFleuve nachgewiesen hat,
dass die Gebirgsformation im Perm entstanden ist. Daher
ist es meiner Ansicht nach dringend geboten,
den Sachverhalt in unserem nächsten Rundbrief richtig zu
stellen …
    Nora blätterte die restliche Korrespondenz durch: der übliche Briefwechsel mit Wissenschaftlern, darunter auch mit Shottum, den er offensichtlich gut kannte. Möglicherweise gehörte der gesuchte Mörder ebenfalls diesem Zirkel an. Sogar wahrscheinlich, denn der Täter musste Zugang zu den Räumen des Kabinetts gehabt haben. Nicht auszuschließen, dass es eben doch Shottum selbst gewesen war.
    Sie listete die einzelnen Briefe in ihrem Notizbuch auf. Vielleicht reine Zeitverschwendung, denn es war natürlich genauso gut möglich, dass der Hausmeister oder der Heizer die Morde begangen hatte. Doch dann fielen ihr die Spuren auf den Knochen ein, die von einem professionellen Umgang mit dem Skalpell zeugten, und die nahezu chirurgische Zerteilung der Leichen. Es musste jemand mit medizinischen Fachkenntnissen gewesen sein, da war sie jetzt sicher.
    Briefe von/an Tinbury McFadden
Absender/
Empfänger
Themen/
Inhalt
Position
Zeitraum
J. C. Shottum
Naturgeschichte, Anthropologie, Bildungszirkel
Eigner des Shottum’s Bildungszirkels, New York
1869–81
Prof. Albert Blackwood
Bildungszirkel, Museums-angelegenheiten
Gründungsmitglied des Museums of Natural History, New York
1865–78
Dr. Asa Stone
Vögel
Ornithologin, New York
1875–87
Sir Henry C. Throckmorton
Afrikanische Großsäugetiere
Sammler, Forscher, Jäger, London
1879–91
Dr. Enoch Leng
Klassifizierungen
Taxonom, Chemiker, New York
1872–81
Guenevere LaRue
Christliche Mission im Kongo
Philantropin, New York
1870–72
Dumont Burleigh
Dinosaurier, Bildungszirkel
Ölmagnat, Sammler, New York
1875–81
Dr. Ferdinand Huntt
Anthropologie, Archäologie
Chirurg, Sammler, Long Island
1869–79
Prof. Hiram Howlett
Reptilien und Amphibien
Herpetologe, Stormhaven, Maine
1871–73
     
    Beim vorletzten Namen stutzte sie. Ein Chirurg. Wer war dieser Dr. Ferdinand Huntt? Sie blätterte die wenigen Brief von ihm durch, alle in schwungvollen Lettern auf handgeschöpftem Büttenpapier mit eingeprägtem Wappen geschrieben.
    Mein lieber Tinbury,
die Bräuche in der Männergesellschaft der Odinga am
oberen Volta sind unverändert barbarisch. Mir wurde
das zweifelhafte Privileg zuteil, einer Geburt beiwohnen
zu dürfen. Assistieren durfte ich der werdenden Mutter
selbstredend nicht, ich sollte mir nur die schrillen Schreie
ihres Ehemannes anhören. Die Kindsmutter
hält nämlich während der Wehen einen Strick in der
Hand, dessen Ende um den Penis des Mannes geschlungen ist,
und so kann man leicht seine Qualen ermessen,
wenn sie unwillkürlich bei jeder Kontraktion an dem
Strick zerrte. Der Mutter hatte ich keine ärztliche Hilfe
leisten dürfen, aber nach der Geburt wurde mir bereitwillig
erlaubt, die Verletzungen des Mannes – schwere
Quetschungen – zu behandeln …
    Auch im nächsten Brief ging es um einen Penis.
    Mein lieber Tinbury,
wie ich höre, besitzt euer Museum keine Fundstücke aus
dem überaus rätselhaften mexikanischen Kulturkreis.
Ich erlaube mir daher, dem Museum einen Jadephallus
der Olmeken beizufügen …
    In den folgenden Briefen beschrieb der Chirurg ebenfalls ausgefallene medizinische Praktiken, die er bei seinen Reisen durch Mittelamerika und Afrika kennen gelernt hatte und über die er dem Museumsgründer berichtete, nicht ohne fast immer ein naturkundlich wertvolles Fundstück beizufügen. Die Tatsache, dass er offenbar ein auffälliges Interesse am sexuellen Verhalten der Eingeborenen zeigte, machte ihn nach Noras Meinung zum Hauptverdächtigen.
    Sie spürte instinktiv, dass jemand hinter ihr stand, und wandte sich abrupt um. Pendergast. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und starrte auf ihre Notizen. Seine grimmige, finstere Miene ließ sie schaudern.
    »Müssen Sie sich jedes Mal so ranschleichen?«, protestierte sie verärgert.
    »Irgendwas Interessantes?«, fragte er in so gleichgültigem Ton, dass Nora das Gefühl beschlich, er habe auf ihrer Liste bereits etwas entdeckt, was ihr selbst entgangen war.

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