Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
noch geworden. Zeilenschinder und Hintertreppenreporter hatte er ihn genannt!
Na gut, dann musste er eben versuchen, andere Quellen anzuzapfen. Mächtige Leute haben Feinde, manchmal direkt vor der Nase, und die packen gewöhnlich bereitwillig aus.
Er schielte zu einem der Computermädchen hinüber, an denen er vorbeikam. Hübsch und jung, nicht so unnahbar und ausgefuchst wie die abgebrühten Drachen, die Fairhavens Vorzimmer verteidigten.
»Sind Sie jeden Samstag hier?«, fragte er beiläufig und mit einem Lächeln, das Harmlosigkeit signalisieren sollte.
Das Mädchen am Computer sah kurz hoch. »Meistens.« Ein niedliches Ding, rothaarig und mit ein paar Sommersprossen um die Nase. Irgendwie hatte er plötzlich Skrupel, weil sie Nora so ähnlich sah.
»Er verlangt viel von Ihnen, nicht wahr?«
»Mr. Fairhaven? O ja, das stimmt.«
»Wahrscheinlich müssen Sie bei ihm manchmal sogar am Sonntag ran?«
»Nein, sonntags arbeitet Mr. Fairhaven nicht. Da geht er in die Kirche.«
Smithback spielte den Verblüfften. »Sieh mal an! Ist er denn katholisch?«
»Nein, Presbyterianer.«
»Ich wette, es ist ganz schön hart, für so einen Mann zu arbeiten, wie?«
»Nein, er ist einer der angenehmsten Arbeitgeber, die ich je hatte. Ich glaube, er hat wirklich ein Herz für uns kleine Leute.«
»Schau an, wer hätte das gedacht?« Smithback nickte ihr zu und verschwand Richtung Fahrstuhl. Freilich nicht ohne den unchristlichen Gedanken, dass ein so hoch gelobter Chef seine Beliebtheit bei »kleinen Leuten« möglicherweise dem Umstand verdankte, dass er, wenn sich’s gerade ergab, auch mal eine seiner Angestellten vernaschte. Vor allem, wenn sie so hübsch war wie die kleine Rothaarige.
Draußen auf der Straße murmelte er stumm eine Flut unheiliger Flüche in sich hinein und schwor sich, so lange in Fairhavens Vergangenheit zu wühlen, bis er alles über ihn herausgefunden hatte, sogar den Namen seines gottverdammten Teddybären. Man wurde nicht New Yorks mächtigster Baulöwe, ohne sich die Finger dreckig zu machen. Der Bursche hatte also bestimmt jede Menge Dreck am Stecken. Und bei Gott, Smithback würde keine Ruhe geben, bis er auch den letzten Krümel Dreck aufgespürt hatte.
4
Mandy Eklund stieg die schmutzigen Stufen von der U-Bahn-Station zur First Street hoch, wandte sich nach Norden zur Avenue A und stapfte auf den Tompkins Square Park zu. Tief am Horizont hing blass der Morgenstern, davor zeichnete sich die Kulisse schütterer Laubbäume ab, die – genau wie die verdächtig purpurrot gefärbten Ränder des Himmels – beredtes Zeugnis von der zunehmenden Umweltverschmutzung gaben.
Der Morgen war frisch, Mandy zog sich fröstelnd das Umhängetuch um die Schultern. Sie war ziemlich fertig, ihre Füße schmerzten bei jedem Schritt. Trotzdem, die Nacht im
Club Pissoir
war es wert gewesen: flotte Musik, die Drinks frei, die Tanzfläche gestopft voll. Die gesamte Fordbelegschaft war da gewesen, dazu eine Hand voll Fotografen von
Mademoiselle
und
Cosmo –
praktisch alle, die in der Modewelt mitmischten, und sie mittendrin. Irgendwie kam es ihr immer noch wie ein Wunder vor. Noch vor einem halben Jahr hatte sie bei Rodney’s Kleider enger oder weiter genäht, als kostenlosen Service des Hauses für betuchte Kundinnen. Bis plötzlich so ein Typ aufgetaucht war und sie für die Fordagency entdeckt hatte. Und nun arbeitete sie in dem Team, das die neuen Modelle testete, direkt unter den Fittichen von Eileen Ford. Alles war so schnell gegangen, dass es ihr immer noch wie ein Traum vorkam.
Ihr Vater, ein stockkonservativer Farmer, rief fast jeden Tag von zu Hause an. Rührend, dass er sich so viele Sorgen machte. Er hatte sich noch nicht damit abgefunden, dass sie in diesem Sündenbabel New York City lebte. Wenn er geahnt hätte, dass sie oft erst im Morgengrauen heimkam, wäre er ausgerastet. Er hatte gewollt, dass sie das College besuchte. Na schön, das kam vielleicht irgendwann, aber vorerst wollte sie mal ihr neues Leben auskosten. Sie musste unwillkürlich schmunzeln, wenn sie sich vorstellte, wie ihr Dad mit seinemJohn Deere über die Felder tuckerte und sich dabei unablässig Sorgen um sie machte. Heute wollte mal sie ihn anrufen, das wurde sicher eine hübsche Überraschung für ihn.
Trotzdem hielt sie, während sie Richtung Siebte den Park durchquerte, die Augen offen, schob schon mal die Hand ins Umhängetäschchen und tastete nach dem Pfefferspray, das sie überall mit sich herumschleppte. Es gab
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