Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
nur die Richtung konnte sie nicht ausmachen.
»Mr. Puck? Sind Sie’s?«
Keine Antwort.
Sie lauschte. Wieder das Tapsen. Wahrscheinlich ein leckes Wasserrohr, versuchte sie sich zu beruhigen. Oder Kondenswasser, das aus dem Frischluftgebläse tröpfelte. Wenn sie nur endlich gewusst hätte, wie sie zur Tür kam!
Es half alles nichts, für irgendeinen Gang musste sie sich entscheiden. Sie legte einen Schritt zu, das Klicken ihrer Absätze hörte sich auf dem Steinboden höllisch laut an. Auf den Regalen links und rechts waren Knochen wie Holzscheite gestapelt. Die kleinen gelben Anhänger bewegten sich flatternd, wenn sie ihnen zu nahe kam. Sie fühlte sich wie in einer Krypta.
Der Gang endete abermals an einer Art Kreuzung. Verdammt! Nora sah sich ratlos um. In diesem Halbdunkel konnte sie kaum ausmachen, was in den hoch aufragenden Regalen gelagert war. Wieder beschlich sie ein Anflug von Angst. Und auf einmal hörte sie wieder ein Geräusch hinter ihr. Oder bildete sie sich das nur ein? Diesmal war es kein Tapsen, es klang eher, als schlurften Schuhsohlen über den Steinfußboden.
Sie fuhr herum. »Wer ist da? Mr. Puck?«
Nichts. Nur das leise Zischen aus dem Frischluftgebläse und das entnervende Tröpfeln.
Sie ging weiter. Obwohl sie sich beruhigend zuredete, dass sie keine Angst haben müsse, weil es in alten Gebäuden nun mal irritierende Geräusche gebe, wurden ihre Schritte unwillkürlich noch schneller. Es war ihr, als werde sie von lauernden Blicken verfolgt. Wenn nur ihre Absätze nicht so einen fürchterlichen Lärm gemacht hätten!
Als sie um die Ecke bog, patschte sie mit ihren teuren Bally-Schuhen mitten in eine Pfütze. Herrschaft noch mal, warum kümmerte sich niemand um die alten Wasserrohre! Sie schaute sich die Pfütze genauer an. Das Wasser sah schwarz und ölig aus – nicht so, wie Wasser eigentlich aussah. Und es hatte einen merkwürdig strengen Geruch. Vielleicht war Öl oder irgendeine chemische Flüssigkeit auf den Boden getropft. Aber sie stand zwischen Regalen mit ausgestopften Vögeln, wenn es hier ein Leck in den Rohren gegeben hätte, wäre es bestimmt längst abgedichtet worden.
Sie hob den Fuß und stellte verärgert fest, dass der linke Schuh tatsächlich Ölflecke abbekommen hatte, an der Sohle und an der Ziernaht. Am rechten war es dasselbe. So eine Schweinerei! Gewitzt von leidvollen Erfahrungen mit Pucks staubgeschwängertem Kellergewölbe, hatte sie zum Glück eine frische Packung Papiertaschentücher einstecken. Sie zog eins heraus und fing an, an der Sohle und der Seitennaht herumzureiben. Und dann erstarrte sie. Was da an den Schuhen klebte, war überhaupt kein Öl. Und es sah auch nicht schwarz aus, sondern glitzernd rot. Blutrot.
Ihr Herz klopfte wild, sie wich einen Schritt zurück, ließ das Taschentuch fallen und starrte, plötzlich von Angst überwältigt, auf die Pfütze. Es war eindeutig Blut, sogar sehr viel. Von den Regalen konnte es nicht getropft sein, die sahen völlig trocken aus. Sie warf einen Blick nach oben, auf das Gewirr von Rohrleitungen zehn Meter über ihr. Aber so weit sie sehen konnte, tropfte dort auch nichts.
Und plötzlich hörte sie wieder etwas, was sich nach verstohlenen Schritten anhörte, und sie meinte, hinter den auf einem Regal gelagerten Ausstellungsstücken eine Bewegung auszumachen. Nur den Bruchteil einer Sekunde lang, danach war es wieder grabesstill. Aber sie war ganz sicher, dass sie etwas gehört hatte.
Lauf los!, schrien ihr alle Instinkte zu. Steh nicht hier rum, lauf weg!
Sie eilte mit Riesenschritten den Gang hinunter. Halt – waren da nicht hastige Schritte hinter ihr zu hören? Und das Rascheln von Stoff? Sie blieb stehen und horchte. Aber da war nichts zu hören, nur das leise Tröpfeln aus den Rohrleitungen, irgendwo weit entfernt. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, vorbei an Gläsern, in denen in Formaldehyd konservierte Schlangen lagen, einen Blick hinter ein Regal zu erhaschen. Es war ihr, als habe sie einen Augenblick lang verschwommen einen großen schwarzen Schatten ausgemacht. Ganz sicher konnte sie allerdings nicht sein, die Gläser standen im Weg. Als sie langsam weiterging, setzte sich der Schatten auf der anderen Seite des Regals ebenfalls in Bewegung. Damit waren die letzten Zweifel ausgeräumt.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Atem ging schneller. Sie ging ein paar Schritte zurück, der Schatten tat es ihr nach. Er schien es darauf anzulegen, immer auf gleicher Höhe mit
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