Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
einer Erdgeschoss- und mehreren kleinen Wohnungen in den oberen Stockwerken errichtet, die Adresse ist Doyers Street Nummer neunundneunzig. Sollte es noch Spuren von Lengs Labor geben, müssen sie unter diesem Gebäude liegen.«
Nora dachte einen Augenblick nach. Die Ausgrabung von Lengs Labor wäre zweifellos ein faszinierendes archäologisches Projekt. Es musste noch Spuren von Lengs schändlichem Treiben geben, und sie als Archäologin konnte sie bestimmt entdecken. Nur, sie fragte sich immer noch, warum Pendergast ein so reges Interesse an diesen Morden aus dem neunzehnten Jahrhundert hatte. Licht in das Dunkel zu bringen, das sich um Mary Greens Tod rankte, wäre eine faszinierende Aufgabe, die … Sie verbot sich, den Gedanken zu Ende zu spinnen. Sie hatte genug eigene Arbeit. Die Ereignisse, umdie es ging, lagen so lange zurück, dass sie mit Fug und Recht zuallererst an ihre Karriere denken durfte.
Pendergast stöhnte leise und drehte sich zur Seite. »Ich danke Ihnen, Dr. Kelly, aber ich denke, es ist besser, wenn Sie jetzt gehen. Ich brauche dringend ein wenig Schlaf.«
Nora sah ihn erstaunt an. Sie war darauf gefasst gewesen, dass er sie abermals um Hilfe bitten würde. Die unerwartete Wendung, die das Gespräch nahm, verblüffte sie. »Weshalb haben Sie mich eigentlich um diesen Besuch gebeten?«
»Sie waren mir bei meinen Ermittlungen eine große Hilfe.
Sie haben mich wiederholt um Informationen gebeten, die ich Ihnen nicht geben konnte. Ich konnte mir natürlich denken, dass Sie wissen wollten, was ich entdeckt habe. Schließlich hätten Sie mehr als jeder andere eine Antwort darauf verdient. Heutzutage spricht man in solchen Fällen von einem Vertrauensbeweis. Nun, Sie merken schon, dass ich Ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen habe. Betrachten Sie dieses Eingeständnis bitte als Vertrauensbeweis.«
Nora betrachtete dieses abrupte Ende ihrer Zusammenarbeit eher als Rausschmiss. Andererseits, genau das hatte sie ja gewollt. Nachdem sie kurz nachgedacht hatte, sagte sie: »Danke für Ihre freundlichen Worte. Aber für mich hört sich das so an, als seien Ihre Ermittlungen längst noch nicht abgeschlossen. Wenn Sie mit Ihrer Vermutung Recht haben, scheint Doyers Street neunundneunzig der Ort zu sein, den Sie als Nächstes unter die Lupe nehmen müssen.«
»So ist es. Die Tiefgeschosswohnung steht zur Zeit leer. Eine Ausgrabung unter dem Wohnzimmer wäre bestimmt sehr aufschlussreich. Ich habe vor, das Apartment zu mieten und mir einen Archäologen zu suchen, der die Ausgrabung vornimmt. Meine Dienststelle in New Orleans wird mir sicher jemanden empfehlen. Leben Sie wohl, Dr. Kelly, und passen Sie gut auf sich auf!«
»Nun«, gab Nora zu bedenken, »für solche Ausgrabungen sollte man spezielle Erfahrungen mitbringen.«
»Soll das ein Angebot sein?«
Nora biss sich auf die Lippen.
»Natürlich nicht. Darum habe ich Sie gar nicht erst gefragt. Ich weiß ja, wie sehr es Sie drängt, sich Ihrer eigenen Arbeit zu widmen. Abgesehen davon könnten die weiteren Ermittlungen gefährlicher werden, als ich gedacht hatte. Ich musste bereits für meine Fehleinschätzung bezahlen. Und ich möchte Sie auf keinen Fall einer größeren Gefahr aussetzen als der, in der Sie jetzt schon schweben.«
Nora stand auf. »Gut«, sagte sie, »ich nehme an, das haben wir abgehakt. Es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Mr. Pendergast, soweit man unter den gegebenen Umständen von einem Vergnügen sprechen kann.« Irgendwie empfand sie dieses abrupte Ende als enttäuschend. Auf dem Weg zur Tür fiel ihr noch etwas ein. »Es könnte sein, dass ich mich noch einmal mit Ihnen in Verbindung setze. Mr. Puck – Sie wissen schon, der alte Herr im Archiv – hat mir eine Notiz geschickt. Er scheint auf ein paar neue Informationen gestoßen zu sein. Jedenfalls hat er mich gebeten, heute Nachmittag bei ihm vorbeizukommen. Wenn etwas Brauchbares dabei ist, setze ich mich mit Ihnen in Verbindung.«
Pendergasts blasse Augen musterten sie eindringlich. »Tun Sie das! Und noch einmal vielen Dank, Dr. Kelly. Und seien Sie bitte vorsichtig!«
15
Die schwere Eichentür des Archivs war nur angelehnt. Höchst merkwürdig – und sicher ein Verstoß gegen die Hausordnung. Nora drückte die Tür auf und trat ein.
Pucks Schreibtisch lag in einer Lichtinsel, ringsum war alles in Dunkel gehüllt, von Puck keine Spur. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Vier Uhr, sie war pünktlich.
Sie schob die Tür hinter sich zu,
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