Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
Metall bei dem Kreuz hat es die Strahlung stärker absorbiert. Haben Sie während Ihrer forensischen Arbeit am Tatort erhöhte Radioaktivität gemessen, Dr. Dienphong?«
»Nicht im Geringsten.«
Dienphong rief das nächste Dia auf. »Das ist das letzte Bild, eine Nahaufnahme von einem Teil des Kreuzes. Beachten Sie bitte die extreme Begrenzung der geschmolzenen Teile. Dies spricht gegen das Einwirken einer diffusen Hitzequelle und für eine punktuell wirkende Strahlung.«
»Welche Art von Strahlung erhitzt Metall stärker als menschliches Gewebe?«, fragte Pendergast.
»Röntgenstrahlen, Gammastrahlen, Mikrowellen, Wellen im niederfrequenten Infrarot, Radiowellen und natürlich Alphastrahlen und ein Strom aus schnellen Neutronen. So etwas wurde schon häufig beobachtet. Die im vorliegenden Fall gegebene Intensität der Strahlung ist dagegen ungewöhnlich.«
»Haben die selektiven Auskerbungen am Kreuz Sie zu neuen Erkenntnissen geführt?«, wollte Pendergast wissen.
»Bislang nicht.«
»Irgendwelche Vermutungen?«
»Ich stelle nie Vermutungen an, Mr Pendergast.«
»Käme Ihrer Meinung nach ein intensiver Elektronenstrahl als Ursache in Frage?«
»Ja, aber ein so starker Elektronenstrahl bräuchte ein Vakuum. Die Luft würde ihn verbreitern, etwa um einen oder zwei Millimeter. Wie ich schon sagte, als Ursache wären Infrarotstrahlen, Mikrowellen oder Röntgenstrahlen denkbar, aber da hätte es zuvor des Aufbaus tonnenschwerer Apparaturen bedurft, um eine derart intensive Strahlung zu erzeugen.«
Pendergast nickte. »So sehe ich das auch. Gestatten Sie mir dennoch die Frage, was Sie von der Theorie halten, die in der New York Post abgedruckt war?«
Dienphong setzte eine abweisende Miene auf. »Ich pflege mich bei meiner Arbeit nicht auf Theorien zu stützen, die in der Post veröffentlicht wurden.«
Der Agent ließ nicht locker. »Die Post hat die Vermutung geäußert, der Teufel könnte sich eine Seele geholt haben.«
Für einen Augenblick herrschte Totenstille, dann erhob sich nervöses Gelächter unter den Anwesenden. Das sollte wohl ein Scherz sein, oder? Aber Pendergast verzog keine Miene.
»Mr Pendergast, für eine solche Theorie könnte ich mich absolut nicht erwärmen.«
»Warum nicht?«
Dienphong lächelte. »Ich bin Buddhist, Mr Pendergast. Unsere Vorstellung vom Teufel unterscheidet sich von der Ihren. Das einzig Teuflische, an das wir glauben, steckt in den Menschen selbst.«
18
Pendergast musste nicht lange suchen, um in der ins Metropolitan Opera House strömenden Menge den Grafen Isidor Fosco auszumachen. Die dramatische Pose, in der er neben dem Brunnen am Lincoln Center stand, war unverwechselbar. New Yorks Opernfans hatten sich für die Premiere von Donizettis Lucrezia Borgia in Schale geworfen, die Damen im Abendkleid und mit Perlenschmuck behängt, die Männer im Smoking. Fosco trug einen Abendanzug aus Hongkongseide, dessen Farbe zwischen Weiß und Taubengrau spielte.
»Mein lieber Pendergast«, begrüßte er den Agent, »ich hatte gehofft, dass Sie ebenfalls mit einem weißen Querbinder kommen! Ich kann nicht verstehen, wie man sich an so einem Abend ein schwarzes Stück Stoff um den Hals würgen kann!«
»Nun, das ist Ansichtssache«, erwiderte Pendergast.
Fosco kicherte lautlos in sich hinein. »Sie haben Recht. Wollen wir reingehen? Wir haben Karten für die Reihe N, Mitte rechts. Ich glaube herausgefunden zu haben, dass die Akustik dort am besten ist.«
Das große Haus füllte sich, eine knisternde Atmosphäre erwartungsvoller Vorfreude lag in der Luft, aus dem Orchestergraben klang das gedämpfte Stimmen der Instrumente. Der Graf war vorausgegangen, und als sie sich ihren Plätzen näherten, sagte er mit gespielter Zerknirschung: »Haben Sie Nachsicht mit mir, wenn wir nicht Wange an Wange sitzen, verehrter Freund. Meine Korpulenz macht eine gewisse Bewegungsfreiheit erforderlich.« Er rutschte auf seinen Sitz und legte ein mit Perlmutt besetztes Opernglas auf den frei bleibenden Platz zwischen sich und Pendergast. Nach einer Weile beugte er sich zu dem Agent hinüber und sagte in dozierendem Ton: »Kein Musikliebhaber kann sich der Faszination von Lucrezia Borgia entziehen. Ich finde …«
Doch dann stutzte er plötzlich. »Haben Sie sich etwa Ohropax in die Ohren geschoben, Sir?«
»Kein Ohropax, die Einlage dient nur dazu, die Lautstärke ein wenig zu dämpfen. Ich habe ein extrem scharfes Gehör, sodass ich jedes Geräusch, das den Pegel normaler Unterhaltung
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